Der Präsident
Ukraine den Rücken gegen Russland freizuhalten. Das war ohnehin eine Entscheidung, die sich mehr und mehr in eine mögliche politische Verbindlichkeit wandelte. Brächte man Sullivan auch nur andeutungsweise mit dem Tod des Mörders seiner Frau in Verbindung, er würde keine weltumspannenden Geschäfte mehr tätigen. Richmond könnte seine Unterstützung unauffällig zurückziehen. Jeder, der in irgendeiner Weise von Bedeutung war, würde diesen stillschweigenden Rückzug verstehen.
»Alan, du willst Sullivan einen Mord anhängen?« Es waren die ersten Worte von Russell. Ihr Gesicht verriet fassungsloses Erstaunen.
Er blickte sie an; aus seinen Augen sprach unverhohlene Geringschätzung.
»Alan, bedenke, was du da sagst. Es geht um Walter Sullivan, nicht um irgendeinen dahergelaufenen Gauner, für den sich keiner interessiert.«
Richmond lächelte. Ihre Dummheit belustigte ihn. So intelligent, so unglaublich kompetent hatte sie gewirkt, als er sie damals in sein Team holte. Er hatte sich geirrt. Ihre Fähigkeiten waren ziemlich begrenzt.
Der Präsident stellte einige Überschlagsrechnungen an. Die Chance, dass Sullivan wegen des Mordes verurteilt werden konnte, lagen bestenfalls bei zwanzig Prozent. Unter ähnlichen Umständen wäre Richmond das Risiko eingegangen. Sullivan war ein großer Junge, der für sich selbst sorgen konnte. Und wenn er doch stolperte? Nun, dafür waren Gefängnisse schließlich da. Er schaute zu Burton.
»Burton, haben Sie es kapiert?«
Burton antwortete nicht.
Der Präsident sagte scharf: »Zweifellos waren Sie zuvor bereit, den Mann zu töten, Burton. Soweit ich das beurteilen kann, ist der Einsatz immer noch unverändert. Tatsächlich ist er wahrscheinlich höher geworden. Für uns alle.« Richmond hielt einen Augenblick inne, dann wiederholte er die Frage. »Verstehen Sie, was ich meine, Burton?«
Endlich schaute Burton auf und murmelte leise: »Ich verstehe.«
Während der nächsten zwei Stunden arbeiteten sie den Plan aus. Als die beiden Secret-Service-Agenten und Russell sich erhoben, um zu gehen, wandte sich der Präsident an die Stabschefin.
»Sag mal, Gloria, was ist eigentlich aus dem Geld geworden?«
Russell blickte ihn unverwandt an. »Es wurde anonym dem Roten Kreuz gespendet. Ich habe gehört, es soll die größte Einzelspende in der Geschichte gewesen sein.«
Die Tür war ins Schloss gefallen, und der Präsident lächelte. Netter Abschiedsgag. Genieße ihn, Luther Whitney . Genieße ihn, solange du noch kannst, du unbedeutender kleiner Niemand.
KAPITEL 23 Mit einem Buch setzte er sich in den Stuhl, doch er öffnete es nicht. Walter Sullivan dachte zurück an Ereignisse, die geradezu unwirklich erschienen und seinem Wesen weniger entsprachen als alles, was ihm bisher in seinem Leben widerfahren war. Er hatte einen Mann angeheuert, der für ihn töten sollte. Jemanden töten, der des Mordes an seiner Frau angeklagt wurde. Der Killer hatte den Auftrag vermasselt. Insgeheim war Sullivan dankbar dafür. Denn mittlerweile hatte sich sein Kummer so weit gelegt, dass er erkannte, wie falsch sein Vorhaben gewesen war.
Eine zivilisierte Gesellschaft musste gewissen Regeln folgen, wollte sie nicht in die Barbarei zurückverfallen. Und gleichgültig, wie schmerzhaft es für ihn auch sein mochte, er war ein zivilisierter Mensch. Er würde die Regeln einhalten.
Bei diesem Gedanken schaute er auf die Zeitung. Inzwischen war sie viele Tage alt, dennoch ging ihm der Inhalt nicht aus dem Sinn. Die in dicken, schwarzen Lettern gedruckte Schlagzeile leuchtete ihm vom weißen Grund der Seite entgegen. Als er sich ihr mit neuer Aufmerksamkeit zuwandte, begannen sich vage Verdachtsmomente in seinem Hinterkopf zu verdichten. Walter Sullivan war nicht nur Milliardär, er verfügte auch über einen brillanten und regen Verstand, dem neben dem Gesamtbild auch keine Einzelheit entging.
Luther Whitney war tot. Die Polizei hatte keine Verdächtigen. Sullivan hatte das Offensichtliche überprüft, doch Mc-Carty hatte sich am fraglichen Tag in Hongkong aufgehalten. Der Mann befolgte Sullivans letzte Anweisung tatsächlich. Walter Sullivan hatte die Jagd abgeblasen. Doch jemand anderer hatte sie an seiner Stelle fortgesetzt.
Und neben dem glücklosen Berufskiller war Walter Sullivan der einzige Außenstehende, der davon wusste.
Sein Blick fiel auf die antike Uhr. Es war beinahe sieben Uhr morgens, und Sullivan war bereits seit vier Stunden auf den Beinen. Die vierundzwanzig Stunden eines
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