Der Präsident
Beschuldigung – falls es überhaupt je dazu kommen sollte – für sich nutzen. Und es war eine absurde Geschichte, abgesehen davon, dass sie absolut der Wahrheit entsprach. Das Weiße Haus würde Mitleid für den armen, gestörten Kerl zeigen, der zudem erwiesenermaßen ein Verbrecher war. Und für seine vor Scham im Erdboden versinkende Familie.
Natürlich gab es noch eine andere Möglichkeit, aber Russell hatte sich entschlossen, diese nicht ausgerechnet jetzt mit dem Präsidenten zu erörtern. Tatsächlich betrachtete sie es als das wahrscheinlichere Szenario.
»Es sind schon merkwürdigere Dinge passiert.« Sie sah ihn an.
»Das Zimmer wurde desinfiziert, oder? Es gibt dort nichts zu finden außer ihr, richtig?«
»Richtig.« Russell fuhr mit der Zunge über die Lippen. Der Präsident wusste nicht, dass sich der Brieföffner mit seinen Fingerabdrücken und seinem Blut nun im Besitz ihres verbrecherischen Augenzeugen befand.
Die Stabschefin erhob sich und schritt im Zimmer auf und ab. »Über gewisse Spuren sexuellen Kontakts kann ich natürlich nichts sagen. Aber das würde man ohnehin nicht mit dir in Verbindung bringen.«
»Gott, ich kann mich gar nicht erinnern, ob wir es getan haben oder nicht. Ich glaube, wir haben.« Bei dieser Bemerkung musste Russell unwillkürlich lächeln. Der Präsident wandte sich um und blickte sie an.
»Was ist mit Burton und Collin?«
»Was meinst du?«
»Hast du mit ihnen gesprochen?« Die Botschaft war unmissverständlich.
»Sie haben genauso viel zu verlieren wie du, Alan, findest du nicht?«
»Wie wir, Gloria, wie wir.« Er band sich im Spiegel die Krawatte. »Schon irgendeinen Hinweis auf unseren kleinen Spanner?«
»Noch nicht; sie überprüfen gerade das Kennzeichen.«
»Wann glaubst du, wird man sie vermissen?«
»Nachdem es den ganzen Tag so warm war, schätze ich bald.«
»Sehr witzig, Gloria.«
»Man wird sie vermissen und Nachforschungen anstellen. Man wird ihren Mann benachrichtigen, er wird zum Haus kommen. Morgen, vielleicht übermorgen, allerspätestens in drei Tagen.«
»Und dann wird die Polizei ermitteln.«
»Dagegen können wir nichts machen.«
»Aber du wirst doch am Ball bleiben?« Eine Spur von Besorgnis huschte über die Stirn des Präsidenten, als er die verschiedenen Möglichkeiten durchdachte. Hatte er Christy Sulli van gevögelt? Er hoffte es. Dann wäre die Nacht zumindest kein völliges Debakel gewesen.
»Soweit es möglich ist, ohne zu viel Verdacht zu erregen.«
»Das ist nicht allzu schwierig. Als Vorwand kannst du angeben, dass Walter Sullivan mein enger Freund und politischer Verbündeter ist. Es wäre völlig normal, dass ich persönliches Interesse an dem Fall hätte. Nachdenken, Gloria, dafür bezahl’ ich dich!«
Und du hast mit seiner Frau geschlafen, dachte Russell. Ein schöner Freund.
»Die Idee ist mir schon gekommen, Alan.«
Sie zündete eine Zigarette an und blies den Rauch langsam aus. Das tat gut. In dieser Angelegenheit musste sie ihm einen Schritt vorausbleiben. Nur einen winzigen Schritt, dann war alles in Ordnung. Es würde nicht einfach sein; er war gerissen. Aber er war auch arrogant. Arrogante Menschen neigten dazu, die eigenen Fähigkeiten überzubewerten, die aller anderer hingegen zu unterschätzen.
»Und niemand hat gewusst, dass sie dich treffen wollte?«
»Ich glaube, wir können davon ausgehen, dass sie diskret war, Gloria. Christy hatte nicht viel im Oberstübchen, ihre Gaben waren etwas tiefer gesät, aber selbst sie wusste, was auf dem Spiel stand.« Der Präsident zwinkerte seiner Stabschefin zu. »Sie hatte etwa achthundert Millionen zu verlieren, wenn ihr Mann dahinterkam, dass sie durch die Gegend hurte, und sei’s mit dem Präsidenten.«
Russell musste an den Spiegel und den Sessel dahinter denken, was Walter Sullivans Vorstellungen von ehelicher Treue in etwas anderem Licht erscheinen ließ. Dennoch konnte man nicht sagen, wie er auf Seitensprünge reagieren würde, von denen er nicht gewusst, die er nicht beobachtet hatte. Gott sei Dank war es nicht Sullivan gewesen, der dort in der Dunkelheit gesessen hatte.
»Alan, ich habe dich gewarnt, dass uns deine kleinen Eskapaden eines Tages in Schwierigkeiten bringen würden.«
Richmond musterte sie missbilligend. »Hör mal, glaubst du, ich bin der erste, der dieses Amt innehat und sich nebenbei etwas Spaß gönnt? Tu doch nicht so naiv, Gloria! Zumindest bin ich sehr viel diskreter als einige meiner Vorgänger. Ich nehme die
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