Der Prediger von Fjällbacka
gab er nicht viel. Sicher war sie ein hübsches Mädel, aber sie hatte leider den Verstand ihrer Mutter geerbt und würde nicht eine Stunde in der harten Modewelt zurechtkommen.
»Diese Diskussion haben wir doch schon früher geführt, Laine, und meine Meinung hat sich seitdem nicht geändert. Es kommt nicht in Frage, daß Linda in die Stadt fährt, um sich von irgendeinem zwielichtigen Fotografen knipsen zu lassen, der sie ja doch nur ausziehen will. Linda soll eine Ausbildung machen, daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln.«
»Ja, aber in einem Jahr ist sie achtzehn, und da macht sie ja doch, was sie will. Ist es nicht besser, daß wir sie jetzt unterstützen, statt zu riskieren, daß sie in einem Jahr endgültig von hier verschwindet?«
»Linda weiß, wo das Geld herkommt, also wurde es mich schon sehr wundern, wenn sie der Quelle einfach den Rücken kehrt. Wenn sie aber weiter die Schule besucht, dann soll das ihr Schaden nicht sein. Ich habe ihr versprochen, daß sie jeden Monat Geld erhält, wenn sie nur weiterlernt, und dieses Versprechen gedenke ich zu halten. Jetzt will ich von der Sache wirklich nichts mehr hören.«
Laine stand noch immer da und rang die Hände. Sie wußte, daß sie verloren hatte, und verließ mit hängenden Schultern sein Arbeitszimmer. Vorsichtig zog sie die Schiebetür hinter sich zu, und Gabriel seufzte erleichtert auf. Dieses Genörgel ging ihm auf die Nerven. Sie sollte ihn nach all den gemeinsamen Jahren gut genug kennen, um zu wissen, daß er seine Meinung nicht änderte, wenn er sich einmal festgelegt hatte.
Zufriedenheit und Ruhe kehrten zurück, als er sich wieder dem vor ihm liegenden Buch widmen konnte. Er verabscheute die modernen Abrechnungsprogramme per Computer, statt dessen liebte er es, ein großes Kassenbuch vor sich zu haben, mit fein säuberlich geschriebenen Zahlenkolonnen, die auf jeder Seite zusammengerechnet wurden. Als er fertig war, lehnte er sich behaglich zurück. Das hier war eine Welt, die er unter Kontrolle hatte.
Einen Augenblick lang fragte sich Patrik, ob er vor der falschen Tür stand. Das hier konnte doch nicht das friedliche Zuhause sein, das er am Morgen verlassen hatte. Der Geräuschpegel lag weit über der Norm, und im Haus sah es aus, als hätte jemand eine Granate hineingeschleudert. Fremde Sachen lagen überall verstreut, und vertraute Gegenstände hatten ihren angestammten Platz verlassen. Nach Ericas Gesichtsausdruck zu urteilen, hätte er schon vor Stunden hier sein sollen.
Verwundert kam er bei seiner Zählung auf nur zwei Kinder und zwei zusätzliche Erwachsene, so daß er sich fragte, wie in aller Welt sie den Lärm eines ganzen Kindergartens zustande brachten. Der Fernseher war eingeschaltet, das DisneyProgramm lief auf voller Lautstärke, und ein kleiner Bursche jagte ein noch kleineres Mädchen mit einer Spielzeugpistole durch die Zimmer. Die Eltern der beiden Früchtchen saßen in aller Ruhe draußen auf der Veranda, und ein großer Trampel von Mann winkte Patrik fröhlich zu, machte aber keine Anstalten, sich vom Korbsofa zu erheben und sich somit von dem vor ihm stehenden Kuchenteller zu entfernen.
Patrik ging zu Erica in die Küche, und sie brach in seinen Armen zusammen.
»Bring mich hier weg, bitte. Ich muß in meinem früheren Leben eine schreckliche Sünde begangen haben, um so gestraft zu werden. Die Kinder sind kleine Teufel in Menschengestalt, und Conny ist - ja, er ist eben Conny. Seine Frau hat kaum piep gesagt und macht ein so griesgrämiges Gesicht, daß die Milch sauer wird. O Gott, wenn sie doch bloß wieder fahren würden.«
Er strich ihr tröstend über den Rücken. »Nimm du in aller Ruhe eine Dusche, dann kümmere ich mich ein Weilchen um die Gäste. Du bist ja völlig durchgeschwitzt.«
»Danke, du bist ein Engel. Da ist eine Kanne mit fertigem Kaffee. Sie sind jetzt bei der dritten Tasse, aber Conny hat durchsickern lassen, daß er sich stärkere Sachen vorstellen könnte, also kannst du ja vielleicht nachsehen, was wir in dieser Hinsicht zu bieten haben.«
»Ich mach das schon, Liebling, jetzt ab mit dir, bevor ich es mir anders überlege.«
Er bekam einen dankbaren Schmatz, und dann watschelte Erica mühsam die Treppe in Richtung Dusche hoch.
»Ich will ein Eis.«
Victor hatte sich hinter Patrik geschlichen und zielte mit der Pistole auf ihn.
»Wir haben leider kein Eis da.«
»Dann mußt du eben welches kaufen.«
Das freche Auftreten des Kindes ließ Patrik in Harnisch geraten, aber
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