Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
nicht anders überlegen zu können. »Glaubst du, daß ich dann vielleicht die Gabe wiedergefunden hätte? Um Jacob zu heilen, meine ich?«
    Die Frage ließ Ephraim vor Verwunderung zurückfahren, und er begriff voller Schrecken, daß er eine größere Illusion geschaffen hatte, als ihm klar gewesen war. Reue und Schuldgefühl entzündeten einen Funken des Zorn in ihm, und zur eigenen Verteidigung fuhr er Johannes wütend an. »Wie dumm bist du eigentlich, Junge! Ich hatte geglaubt, du wärst früher oder später erwachsen genug geworden, um die Wahrheit zu verstehen, ohne daß ich sie dir direkt auf die Nase zu binden brauchte! Nichts von alledem war schließlich echt. Keiner von denen, die du und Gabriel >geheilt< haben«, er zeichnete die Anführungszeichen in die Luft, »war doch tatsächlich krank. Sie haben die Sache bezahlt bekommen! Von mir!« Er schrie die Worte so heftig heraus, daß kleine Speicheltröpfchen umherspritzten. Eine Sekunde lang fragte er sich, was er da getan hatte. Aus Johannes’ Gesicht war jede Farbe gewichen. Er schwankte wie ein Betrunkener, und einen Moment überlegte Ephraim, ob der Sohn wohl irgendeinen Anfall erlitt. Dann flüsterte Johannes, so leise, daß es kaum zu hören war: »Dann habe ich die Mädchen umsonst getötet.«
    Alle Angst, alle Schuld und Reue explodierten in Ephraim und zogen ihn in ein finsteres, schwarzes Loch, wo er den Schmerz, den ihm die Erkenntnis brachte, irgendwie loswerden mußte. Seine Faust fuhr nach vorn und traf Johannes mit voller Kraft am Kinn. Wie in Zeitlupentempo sah er, daß Johannes mit einem verwunderten Ausdruck im Gesicht hintenüberfiel, auf den Mähdrescher zu. Ein dumpfer Laut hallte durch die Scheune, als sein Hinterkopf die harte Kante traf. Entsetzt stand Ephraim da und blickte auf Johannes hinunter, der leblos am Boden lag. Er ging in die Knie und versuchte verzweifelt, dessen Puls zu fühlen. Nichts war zu spüren. Er legte das Ohr an den Mund des Sohnes und hoffte wenigstens einen schwachen Atemhauch zu hören. Noch immer nichts. Langsam wurde ihm klar, daß Johannes tot war. Gefällt durch die Hand des eigenen Vaters.
    Im ersten Moment wollte er losrennen und Hilfe herbeitelefonieren. Dann meldete sich sein Überlebensinstinkt. Und wenn Ephraim Hult in etwas groß war, dann im Überleben. Wenn er Hilfe holte, müßte er erklären, warum er Johannes geschlagen hatte, und das durfte um keinen Preis herauskommen. Die Mädchen waren tot, und Johannes war es nun auch. Auf geradezu biblische Weise war Gerechtigkeit geübt worden. Er selbst hatte nicht den Wunsch, seine letzten Tage im Gefängnis zu verbringen. Es war Strafe genug, den Rest des Lebens mit dem Wissen leben zu müssen, daß er Johannes getötet hatte. Entschlossen begann er mit der Arbeit, sein Verbrechen zu kaschieren. Er hatte glücklicherweise so manchen Gefallen einzufordern.
     
    Er fühlte sich recht wohl mit seinem Leben. Die Ärzte hatten ihm noch maximal ein halbes Jahr gegeben, und er konnte zumindest diese Monate in Ruhe und Frieden verbringen. Sicher fehlten ihm Marita und die Kinder, aber sie durften ihn jede Woche besuchen, und die Zwischenzeit verbrachte er mit Beten. Er hatte Gott bereits verziehen, daß ER ihn im letzten Augenblick im Stich gelassen hatte. Auch Jesus hatte im Garten von Gethsemane gestanden, zum Himmel gerufen und seinen Vater gefragt, warum er ihn verlassen habe, am Abend bevor Gott seinen einzigen Sohn geopfert hatte. Wenn Jesus verzeihen konnte, dann konnte Jacob es auch.
    Der Garten der Klinik war der Ort, wo er die meiste Zeit verbrachte. Er wußte, daß die anderen Gefangenen ihn mieden. Sie alle waren verurteilt, die meisten wegen Mord, aber aus irgendeinem Grund glaubten sie, er sei gefährlich. Sie begriffen nicht. Er hatte es nicht genossen, die Mädchen zu töten, und es auch nicht um seiner selbst willen getan. Er hatte es getan, weil es seine Pflicht war. Ephraim hatte erklärt, daß er, Jacob, genau wie Johannes etwas Besonderes war. Daß er auserwählt war. Es war seine Schuldigkeit, das Erbe zu verwalten und nicht einfach dahinzusiechen.
    Und noch würde er nicht aufgeben. Konnte nicht aufgeben. In den letzten Wochen war er zu der Erkenntnis gelangt, daß die Methode, nach der Johannes und er vorgegangen waren, vielleicht die falsche war. Sie hatten eine praktische Weise gesucht, um die Gabe zurückzuerhalten, aber vielleicht war es nicht so gemeint gewesen. Vielleicht hätten sie sich statt dessen nach innen wenden sollen.

Weitere Kostenlose Bücher