Der Prediger von Fjällbacka
war allerdings dankbar dafür, daß sie und Patrik ein Haus in Fjällbacka besaßen, in dem sie Gäste, uneingeladen oder nicht, empfangen konnten. Nach dem plötzlichen Ableben ihrer Eltern hatte ihr Schwager versucht, den Verkauf des Hauses durchzudrücken. Aber ihre Schwester Anna hatte schließlich von seinen physischen und psychischen Übergriffen genug gehabt. Sie hatte sich von Lucas scheiden lassen und war jetzt zusammen mit Erica Eigentümerin des Hauses. Da Anna mit ihren zwei Kindern in Stockholm wohnen blieb, hatten Patrik und Erica in dem Haus in Fjällbacka zusammenziehen können und dafür sämtliche Kosten übernommen. Noch früh genug würden sie eine endgültige Lösung für dieses Problem finden müssen, doch bis dahin war Erica einfach nur froh, daß sie das Haus noch immer besaß und jetzt das ganze Jahr über hier wohnen konnte.
Erica schaute sich um, und ihr wurde klar, daß sie ein bißchen in Trab kommen mußte, wenn die Räume bis zur Ankunft der Gäste standesgemäß aussehen sollten. Sie überlegte, was Patrik wohl sagen würde, wenn sie hier so überfallen würden, doch gleich warf sie den Kopf in den Nacken und dachte, wenn er sie mitten im Urlaub allein lassen konnte und einfach wieder arbeiten ging, dann hatte sie ja wohl das Recht, Gäste zu empfangen, wann immer sie wollte. Sie hatte bereits vergessen, daß sie es eigentlich ganz schön gefunden hatte, ihn nicht ständig zu Hause zu haben.
Patrik hatte beschlossen, Ernst und Martin als erstes mit der Angelegenheit bekannt zu machen. Er rief sie in sein Zimmer, und sie nahmen vor seinem Schreibtisch Platz. Es ließ sich nicht übersehen, daß Ernst vor Empörung darüber, daß man Patrik zum Leiter der Ermittlungen bestimmt hatte, hochrot im Gesicht war, aber Patrik zog es vor, die Sache einfach zu ignorieren. Das war eine Angelegenheit, die Mellberg zu verantworten hatte, schlimmstenfalls kam er auch ohne Hilfe von Ernst aus, falls der Kollege die Zusammenarbeit verweigerte.
»Ich vermute, daß ihr bereits gehört habt, was passiert ist.«
»Ja, wir haben es über den Polizeifunk erfahren.« Martin, jung und voller Enthusiasmus, saß im Unterschied zu Ernst kerzengerade auf dem Stuhl, einen Notizblock auf dem Schoß und den Kuli in Bereitschaft.
»Eine Frau ist also in der Königsschlucht von Fjällbacka ermordet aufgefunden worden. Sie war unbekleidet und sah aus, als wäre sie so zwischen zwanzig und dreißig. Unter ihrem Körper fand man zwei menschliche Gerippe unbekannten Ursprungs und Alters, aber Karlström von der Spurensicherung gab mir inoffiziell zu verstehen, daß sie vermutlich nicht direkt frisch sind. Also haben wir wohl eine Menge Arbeit vor uns, neben all den alkoholbedingten Krawallen und dem Ärger mit den Betrunkenen am Steuer, mit denen wir schon bis über die Ohren ausgelastet sind. Und sowohl Annika als auch Gösta haben ja Urlaub, also müssen wir so lange selbst die Ärmel hochkrempeln. Ich habe zwar diese Woche auch frei, aber bin einverstanden, statt dessen zu arbeiten, und auf Wunsch Mellbergs werde ich also diese Untersuchung hier leiten. Fragen dazu?«
Die Frage war in erster Linie an Ernst gerichtet, der es jedoch vorzog, einer Konfrontation auszuweichen, bestimmt aber würde er hinter Patriks Rücken seinem Unmut Luft machen.
»Sag, was ich machen soll.« Martin glich einem nervösen Pferd im Pferch und ließ jetzt seinen Stift ungeduldig über dem Notizblock kreisen.
»Ich möchte, daß du zu Beginn im SIS kontrollierst, was es für Anzeigen über Frauen gibt, die in, sagen wir, den letzten zwei Monaten verschwunden sind. Besser, wir fassen den Zeitraum etwas weiter, bis wir von der Gerichtsmedizin Näheres erfahren. Obwohl ich annehmen würde, daß der Todesfall zeitlich bedeutend näher liegt, vielleicht ist das Ganze erst vor wenigen Tagen passiert.«
»Hast du es nicht gehört?« fragte Martin.
»Was nicht gehört?«
»Daß die Datenbank streikt. Wir müssen auf das SIS pfeifen und es auf die alterprobte Weise tun.«
»Scheiße. Was für ein Timing. Also, nachdem bei uns keine offene Meldung über ein Verschwinden vorzuliegen scheint, würde ich vorschlagen, daß du bei allen im Umkreis gelegenen Ämtern anrufst. Geh kreisförmig vor, beginne von innen und dehne den Aktionsradius dann aus, verstehst du?«
»Ja, klar, wie weit soll ich das Ganze treiben?«
»So weit wie nötig, also bis wir jemanden finden, der paßt. Ruf nach der Besprechung auch gleich in Uddevalla an, damit du
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