Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Steuer- und Ausgabenerhöhungen können die Wirtschaftstätigkeit wie gezeigt anregen. Aus demselben Grund sorgen ausgewogene Ausgaben- und Steuersenkungen für eine konjunkturelle Abkühlung. Und wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, wie es die Rechte will, und die Ausgaben noch stärker kürzen, in einem tollkühnen, wenn auch vielleicht fruchtlosen Versuch, das Defizit abzubauen, dann wird die Wirtschaft nur umso stärker schrumpfen.
Steuerliche Absetzbarkeit
Viele Befürworter eines zügigen Defizitabbaus legen ihr Augenmerk auf Bestimmungen über die steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen, von denen insbesondere die Mittelschicht profitierte; das betrifft etwa die Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen und Krankenversicherungsbeiträgen. 27 Die Abschaffung dieser Bestimmungen würde die Steuerbelastung der Mittelschicht, deren Einkommen seit Jahren stagniert oder sogar sinkt, de facto erhöhen. Jeder, der sich mit der Notlage der Mittelschicht nicht einfach abfinden will, hätte erkennen müssen, dass bei Streichung der Abzugsfähigkeit von Kosten die Mittel- und nicht die Oberschicht durch Senkung der Steuersätze hätte entlastet werden sollen.
Die meisten Ökonomen hätten die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen unterstützt, denn diese führt zu überhöhten Investitionen in Immobilien und fördert die Überschuldung (der privaten Haushalte). Tatsächlich subventionierte der Staat Schulden – eine weitere versteckte Subvention für die Banken, die zu den eigentlichen Nutznießern gehörten. Und weil Reiche höher besteuert
werden, profitieren sie von dieser Bestimmung auch stärker als Menschen mit niedrigeren Einkommen. Die gegenwärtige Form des Steuerabzugs ist sowohl verzerrend als auch ungerecht. Und sie sorgt vielleicht nicht einmal dafür, dass in Stadtgebieten, in denen überdurchschnittlich viele Personen mit vergleichsweise niedrigem Einkommen leben, die Zahl der Eigenheimbesitzer zunimmt. In diesen Gebieten, in denen das Angebot an Immobilien begrenzt ist, können die Hypothekensubventionen im Gegenteil zu Preissteigerungen führen, durch die der Eigenheimerwerb für Menschen ohne dicken Geldbeutel praktisch unerschwinglich wird. 28 Der Zeitpunkt der Abschaffung ist allerdings Anlass zur Sorge: Die Streichung der Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen hätte den Immobilienkauf verteuert und die Immobilienpreise gedrückt. Weil ein Viertel aller Amerikaner, die Hypothekendarlehen aufgenommen haben, überschuldet sind (der Immobilienwert ist kleiner als die Darlehensschulden) – etwa elf Millionen Familien –, hätte sich die Krise im Immobiliensektor weiter verschärft. Es hätte mehr Zwangsvollstreckungen, mehr wirtschaftlich marode Kommunen gegeben, und dieser Schlüsselsektor der Volkswirtschaft hätte eine jahrelange Flaute durchgemacht. Je länger die Depression auf dem Immobilienmarkt andauert, desto länger verharrt die Wirtschaft in ihrem gegenwärtigen Zustand, das heißt am Rande einer Rezession.
Es gibt einen Ausweg aus dieser verzwickten Lage. Im Jahr 2009 gab es für erstmalige Hauskäufer eine Steuergutschrift in Höhe von 10 000 Dollar; damit wurde der Immobilienmarkt gestützt, weil man Erstkäufer mit Eigenkapital versorgte. Die Verlängerung und Ausweitung dieser Bestimmung auf alle einkommensschwachen Familien würde sich belebend auf den Immobilienmarkt auswirken, einen Beitrag zur Sanierung der Wirtschaft leisten und Immobilien für einkommensschwache Familien erschwinglich machen.
Mit unterschiedlichsten Vorschriften im Einkommensteuergesetz (etwa der Sonderbehandlung von Altersvorsorgekonten) will man die Bürger außerdem zum Sparen ermuntern; ob das funktioniert, ist fraglich, doch weil Personen mit höheren Einkünften viel stärker davon profitieren, werden die Reichen, die bekanntlich ohnehin einen Großteil ihres Einkommens sparen, dadurch noch reicher. Für Geringverdiener gibt es nichts Vergleichbares. Wenn die Regierung die Investitionstätigkeit einkommensschwacher Haushalte durch eine einlösbare Steuergutschrift
förderte (das heißt deren Ersparnisse aufstockte, auch wenn sie keinerlei Steuern zahlen), würde sie Menschen aus dieser Einkommensgruppe mehr Sparanreize liefern und vielleicht sogar das Gefälle zwischen oben und unten ein wenig ausgleichen.
Eine faire Strategie zum Defizitabbau
Kurz zusammengefasst: Die Rückführung des Defizits ist nicht das drängendste Problem, vor dem die US-Wirtschaft heute steht,
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