Der Preis des Lebens
herausgebissene Kehle oder ein abgebissener Arm mochten dennoch zu viel sein, auch wenn Nugal und der Foliant aus Tuchosa sich da eher bedeckt gehalten hatten. Es wäre ...
Der Aufprall presste Visco kurz die Luft aus den Lungen und unterbrach seine Gedanken.
Dann war der Wolf auch schon über ihm – und kippte wie eine steife Puppe schräg nach vorn, wo er etwa auf Höhe von Viscos Kopf das hölzerne Geländer durchbrach.
Er war bereits tot, als er auf dem Boden aufkam.
» Danke ... «, keuchte Visco atemlos und wischte sich Schweiß, Blut und Wolfsgeifer aus dem Gesicht.
Lorn nickte knapp und wechselte das Schwert von der Linken in die Rechte. Er streckte Visco die Hand entgegen, umfasste das Handgelenk seines Freundes und zog ihn auf die Füße.
Dann eilten die beiden auch schon über den vor Blut und Feuchtigkeit glitschigen Wehrgang in Richtung Tor. Kurz vor der Plattform mussten sie sich jedoch schon wieder trennen: Visco hielt mitten im Schritt inne, wirbelte mit wehendem Umhang herum und stach mit dem Rapier nach einem Wolfskopf, der unerwartet aus der Dunkelheit über die Brustwehr schoss und nach dem Vampir schnappte.
Lorn dagegen rannte weiter, bis er auf der Plattform ankam. Dort zeigte dem Jagam ein rascher Blick nach unten, dass Flank, Fugar und die verbliebenen kampffähigen Dörfler trotz aller Verluste auf Seiten der Verteidiger gute Arbeit geleistet hatten: Nur noch zwei Wölfe standen aufrecht, unzählige Wolfskörper lagen leb- und reglos am Boden.
Allerdings auch die meisten der Egemunder.
Da erweckte eine Bewegung genau unter den letzten Sehschlitzen im Boden der Plattform Lorns Aufmerksamkeit.
Während Flank einem sich am Boden windenden Werwolf den Todesstoß verpasste und Fugar, Tomash und zwei Fallensteller den anderen Wolf in einer Ecke neben dem zerstörten Tor festnagelten, schlich sich eine dritte, bis dahin von allen unbemerkte Wolfsgestalt geduckt aus den Schatten der Plattform ins Dorf.
Langsam richtete sich der riesige Wolf hinter Flank auf und hob wie ein Bär beide Arme – bereit, dem Bürgermeister von hinten den Kopf einzuschlagen.
Lorn fackelte nicht lange. Mit einem Satz sprang er auf das rückwärtige Geländer, umfasste das Heft seines Schwertes mit beiden Händen und ließ sich fallen.
Der Werwolf wusste nicht einmal richtig, wie ihm geschah, als Lorn ihm den kalten Stahl seiner Klinge mit voller Wucht von oben durch die Schädeldecke ins Gehirn trieb und das qualvoll aufheulende Biest von den Füßen riss.
Flank fuhr erschrocken herum und wurde von dem Knäuel aus Wolf und Jagam zu Boden gerissen und unter dem Wolfskörper begraben. Lorn überschlug sich mehrmals und prallte hart mit dem Kopf gegen eines der Eichenfässer. Benommen schüttelte der Jagam den Kopf und versuchte, den grellen Schmerz aus seinem Schädel und all seinen Knochen zu vertreiben.
Der Nachtjäger sah nicht, was sich auf der anderen Seite des Dorfeingangs abspielte: Dort holte der in die Ecke gedrängte Wolf mit einem scheinbar ansatzlosen, blitzschnellen Rundumschlag Fugar und die beiden Verteidiger von den Beinen. Danach hielt die Bestie geradewegs auf Lorn zu, der nach wie vor angeschlagen mit dem Rücken gegen das dicke Fass lehnte.
»JAGAM!« Wieder war es Fugars Ruf, der Lorn im letzten Moment reagieren ließ. Instinktiv riss der Jagam den Schwertarm nach oben, um dem Angriff des Wolfes zu begegnen – nur um im flackernden Fackelschein mit erschreckender Klarheit zu erkennen, dass er gar kein Schwert in der Hand hielt .
Seine Waffe steckte nach wie vor tief im Schädel des Wolfes, unter dem der leise stöhnende Flank begraben lag.
*
Viscos Arme brannten, jeder Muskel schmerzte. Egal ob geläuterter Vampir mit übermenschlichen Kraftreserven oder nicht – der Kampf hatte ihn erschöpft. Der Wehrgang glich einem Schlachthaus: überall Blut, Blut und noch mehr Blut. Doch Visco blieb keine Zeit, seine Bestandsaufnahme der Toten und Verwundeten auf dem Wall fortzusetzen, da in diesem Moment Fugars tiefe Stimme durch die Nacht dröhnte.
»JAGAM!«
*
Lorn warf sich kurz vor knapp mit dem Oberkörper zur Seite. Dadurch bewahrte er Hals und Gesicht zwar vor den zuschnappenden Wolfskiefern jedoch nicht seine Schulter.
Die Fänge der Bestie bohrten sich zwischen Lorns Lederkragen und dem Metall seiner Schulterpanzerung durch das Leder in das darunter liegende Fleisch, kratzten über den Knochen. Lorn brüllte vor Schmerz, als der Schädel der Werbestie nach hinten ruckte. Helles Blut spritzte in alle
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