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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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Richtungen und verpasste dem Wolf eine rote Maske.
Halb ohnmächtig hatte Lorn dem Werwolf, der sich genüsslich über die Schnauze leckte, nichts mehr entgegen zu setzen.
Das wusste auch die Bestie. Sie stieß ein lautes, siegessicheres Heulen aus und bog den Rücken nach hinten, um ihre Fänge ein letztes Mal mit Wucht in Lorns Brust zu vergraben und der Angelegenheit ein Ende zu bereiten.
Wie ein Katapult schoss der riesige Wolfsschädel mit weit aufgerissenem, geiferndem Maul nach vorn ...
Und verharrte ungefähr auf halber Distanz mitten in der Bewegung. Verdutzt stierte der Wolf mit der blutverschmierten Schnauze nach oben in den Nachthimmel; fast sah es so aus, als ob er unter der Maske aus Lorns Blut verwirrt blinzelte.
Über der Werbestie wogte die Schwärze der Nacht wie eine Hitzewolke im Hochsommer vor den Sternen. Plötzlich gewann das schwarze Flimmern an Kontur: die Nacht spuckte eine riesige Fledermaus aus, die sich als Manifestation der Finsternis mit lautem Rauschen ihrer Lederschwingen auf den Wolf stürzte. Einen Herzschlag später landete der Schatten mit seinen Flügeln aus Dunkelheit und einem Stachel aus glühendem Silber zwei Meter neben dem Wolf.
Die roten Augen der Werbestie weiteten sich und glühten ein letztes Mal feurig auf, ehe der sauber vom Rumpf getrennte Kopf des Wolfes langsam zur Seite rutschte und vor Lorn auf den blutgetränkten Lehmboden fiel.
Leblose Wolfsaugen verloren ein für allemal ihr Höllenfeuer und starrten den Jagam verständnislos an.
Als Lorns Kopf kraftlos auf die blutbesudelte Brust des Nachtjägers sank, hatte Visco DeRául sich bereits aufgerappelt und eilte an die Seite seines Partners.

6.

Ein fiebriger Traum ... Nach langer Abwesenheit und einer nicht weniger langen Seereise kehrte er endlich an den Ort zurück, der in seinem Herzen immer sein Zuhause gewesen war und es auch immer bleiben würde. Egal wie weit er sich körperlich von ihm entfernte oder was für Taten er in der Welt vollbrachte – sein Herz wohnte genau hier, an der Küste, hinter diesen grünen Hügeln, auch wenn er jetzt offiziell und mit dem Segen des Einen ein Krieger der Kirche, ein Teil des kirchlichen Bollwerks gegen die Finsternis und die Mächte der Sieben Höllen war.
Er lächelte sanft, schmunzelte stolz in sich hinein.
Jagam. Nachtjäger.
Endlich. Den zerschlissenen Seesack geschultert, die schwarze Rüstung aus Leder und Metall blank poliert und ohne die geringste Salzspur einer mehrwöchigen Seereise, sprang er von der leicht unter seinem Gewicht ächzenden Planke auf die köstliche Erde seiner Heimat. Es fühlte sich gut an. Ein letzter Gruß in Richtung der Seeleute, mit denen er am Ende doch noch so etwas wie Kameradschaft geschlossen hatte – dann eilte er bereits mit im Wind flatternden schwarzen Haaren und glänzenden grauen Augen die Hügel hinauf, hinter denen seine Familie und seine Freunde warteten. Vor seinem geistigen Auge sah er bereits, wie er von ihnen in die Arme genommen und beglückwünscht wurde. Wie er Savira küsste.
Sicher, er würde sie alle früh genug schon wieder verlassen müssen – aber vorerst würde er ein paar Wochen, vielleicht sogar bis zum Ende des Sommers dort sein, wo er zu leben und zu lieben gelernt hatte. Was würden sie für Augen machen, wenn sie den gereiften Mann vor sich sahen, der sie im Alter von vierzehn Sommern verlassen hatte! Was würde Savira wohl für Augen machen, wenn sie den Mann, den Krieger, den Jagam sah? Und was würde er wohl für Augen machen, wenn er nach all der Zeit die voll erblühte Frau sah, in deren erste Knospen er sich unsterblich verliebt hatte, bevor er aufgebrochen war? Die Frau, deren zärtliche, sporadisch auf Justica angekommenen Briefe es waren, die ihn in all der Zeit hatten durchhalten, sein Ziel stets eisern verfolgen lassen?
Vier Jahre. Er ignorierte das mulmige Gefühl in seiner Magengegend, ließ sich von der Freude berauschen. Er merkte gar nicht, wie er seine Schritte beschleunigte, das Meeresrauschen hinter sich ließ und nach einem kurzen Sprint völlig außer Atem die Kuppe des letzten steilen, grasbewachsenen Hügels erreichte, der ihn von seinem alten Leben trennte. Keuchend kam er oben auf der Kuppe an ...
Und erstarrte.
NEIN! , schoss es ihm schlicht durch den Kopf, ein einziges, simples Wort mit der Macht ganzer Bibliotheken des Grauens.
Alle Vorfreude war wie weggeblasen, als sein Blick über die in Flammen und Rauch gehüllten Hütten strich. Der rationale Teil seines Ichs

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