Der Preis des Lebens
über das Geländer auf der anderen Seite des Wehrgangs und brach sich wohl ebenfalls alle Knochen, verdreht wie er unten auf dem Lehmboden aufkam. Die anderen Egemunder kamen nicht einmal dazu, ihre Äxte zu heben.
Der Wolf prallte förmlich in sie: seine Klauen drangen tief in die Körper der Dörfler ein, ehe diese auch nur reagieren konnten. Blut spritzte in alle Richtungen. Der Werwolf blieb auf den Hinterbeinen sitzen, leckte sich mit der Zunge über die vor Blut triefende, klebrige Schnauze und starrte der nächsten Gruppe Männer entgegen. Diese stoppten mitten im Lauf, als der Wolf den Kopf in den Nacken warf und ein grausiges Heulen ausstieß, das aus scheinbar hundert Kehlen aus der nebeligen Tiefe beantwortet wurde. Selbst Viscos Finger krampften sich um das Heft seines Rapiers.
Nein, die Dörfler würden den Wolf nicht aufhalten.
»Hey!« Mit diesem Ruf auf den blassen Lippen trat Visco DeRául dem riesigen Wolf entgegen und hob das Rapier.
Die Bestie fuhr knurrend herum – die Herausforderung eines anderen Raubtieres der Nacht konnte nicht unbeantwortet bleiben. Das Untier verzog die Lefzen und schien böse zu lächeln, als es wie ein trunkener Seemann mit blutverschmierter Schnauze auf den Vampir zuwankte ...
*
»Jetzt!« Ein leises Zischen begleitete den ersten Pfeilhagel.
Die beiden Bestien, die als erste ins Dorf gekommen waren, wurden wie Keiler bei der Jagd gleich mit mehreren Geschossen gespickt. Auch der dritte Wolf, der hinter dem allgegenwärtigen Nebel im Tor auftauchte, kippte jaulend zur Seite, als sich ihm ein Pfeil in die Kehle bohrte.
Der Kopf des toten Werwolfs hatte noch nicht ganz den Boden berührt, da warf der Schütze mit der dornigen Schulterpanzerung schon den Jagdbogen zur Seite, griff nach seiner Streitaxt, sprang behände über die Fässer und stürzte sich grunzend auf das nächste Untier, das in der gezackten Öffnung erschien und sich unter dem Pfeilhagel hinweg duckte.
Lorns Beispiel folgend, schickten sich sodann auch die übrigen Verteidiger Egemundes an und mischten sich mit ihren behelfsmäßigen Waffen in die Schlacht um ihre Heimat.
»Egemunde!« Mit diesem Schlachtruf auf den Lippen stürmte Fugar von der anderen Seite der Fassbarrikade in Richtung Tor und schwang seinen Hammer wie ein alter Zwergenkönig, der auf Ruhm in seiner letzten Schlacht aus war. Die schwere Waffe zerschmetterte den Schädel eines Wolfes ohne nennenswerte Anstrengung, ehe Fugar trotz seiner Statur von einem Rückhandschlag aus der Dunkelheit von den Beinen geholt wurde, während ein weiterer Wolf knurrend die letzten verbogenen Planken des neuen Tores mit seinem Körper zur Seite sprengte. Lorn eilte an Fugars Seite und deckte den Schmied, bis dieser sich kopfschüttelnd wieder aufgerappelt hatte. Der Sichelmondsilberdorn am Kopf von Lorns Axt zuckte immer wieder suchend nach vorn, doch blieb der Wolf vor ihm klugerweise auf Abstand – was ihm letztlich nicht viel brachte, denn im nächsten Augenblick bohrten sich zwei Pfeilspitzen in seine Seite. Die Bestie heulte vor Schmerz und Wut laut auf und schnappte mit dem Maul nach einem der Schäfte – ihr rechtes Bein knickte trotzdem kraftlos weg.
Lorn zögerte nicht lange und trennte dem getroffenen Wolf mit einem mächtigen Axthieb den Kopf von den Schultern. Der Schädel rollte einem anderen Wolf direkt vor die Füße, der verwirrt in Richtung seines sterbenden Gefährten blickte, ehe auch seine Kehle von einer scharfen Sense geöffnet wurde.
Flank ließ auf seiner Seite der Fassbarriere inzwischen Brandpfeile entzünden – eine Idee, auf die ihn die Söldner in der schrecklichen Nacht zuvor gebracht hatten. Bald schon flogen die ersten feurigen Geschosse wie brennende Libellen durch die Nacht. Ein Werwolf wurde gleich von drei Pfeilen erwischt und heulte qualvoll auf, als die Flammen sein schmutziges Brustfell in Brand steckten und er sich winselnd am Boden rollte. Nach und nach erkannten die verbliebenen Wölfe letztlich aber die Gefahr, sanken auf alle Viere und duckten sich vor den Brandpfeilen.
Daraufhin warfen auch Flank und die letzten Schützen ihre Bögen zur Seite und griffen nach ihren Waffen.
Im grotesken Nahkampf Mann gegen Bestie wogte die Schlacht vor dem abermals zerstörten Tor nun brutal hin und her. Krumme Klingen und breite Axtblätter bohrten sich in Wolfsleiber, mächtige Kiefer schnappten nach Armen, Beinen und Kehlen, gelbe Klauen schlitzten, rissen und kratzten weiche Haut und noch weicheres Fleisch.
Fugar ging
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