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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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Storys nicht mehr auf Bishop und seinesgleichen angewiesen. Die würden von selbst kommen. Sie drückte die Leertaste und wollte gerade schon die ersten Worte schreiben. Dann dachte sie, scheiß drauf, und zog ihr Handy aus der Tasche. So eine Nachricht überbrachte man am besten persönlich.
    »Da will jemand den Chef sprechen«, rief einer vom Hinweis-Team Mulcahy durch den Raum zu und streckte ein imaginäres Telefon aus Daumen und kleinem Finger als Ersatz für das Headset auf seinem Kopf in die Luft.
    »Wieso?«, fragte Mulcahy, der sich ärgerte, weil er beim Erstellen der Prioritätenliste an seinem Computer gestört wurde.
    »Ein pensionierter Cop will nicht mit einem Normalsterblichen wie mir sprechen«, sagte der Beamte spöttisch.
    »Okay, stellen Sie ihn durch.«
    Der Mann sprach leise, aber mit angenehmer Stimme. Dem Akzent nach stammte er irgendwo aus dem Südwesten. »Sind Sie für den Priester-Fall zuständig?«
    »Ja, ich bin Inspector Mulcahy. Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Oh nein, den Sir können Sie sich sparen. Ich habe es bis zur Pensionierung nur bis zum Sergeant geschafft.«
    Instinktiv ließ Mulcahy die hochgezogene Deckung etwas sinken. »Sie waren bei der Polizei?«
    »Das war ich, ja«, sagte der Mann, und das klang so, als wäre er es gerne immer noch. »Sergeant Pat Brennan. Im Ruhestand. Und das auch schon ein paar Jährchen. Aber ich bin erst gegangen, als sie mich rausgeworfen haben.«
    »Gut für Sie. Mein alter Herr hat auch bis zum Schluss durchgehalten. Dem hat es das Herz gebrochen, als er dann gehen musste, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht kannten Sie ihn, Inspector John Mulcahy.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte nachdenkliches Schweigen, während im Kopf vermutlich die Rolldatei mit möglichen Bekannten durchgegangen wurde, bis: »Ach, aber doch nicht Johnny Mulcahy aus Dun Laoghaire! Sie sind sein Junge?«
    Mulcahy gab der Woge aus Nostalgie bereitwillig nach, die ihm aus dem Telefon entgegenschlug. Er hörte gern Geschichten über seinen Vater, seine Kollegen und ihre Zeit. Er war damit aufgewachsen. Sie klangen unweigerlich so, als stammten sie aus einem goldenen Zeitalter, bevor Drogen, das organisierte Verbrechen und Serienvergewaltiger sich auf der heiligen irischen Insel breitgemacht hatten. Der Mann war etwas jünger, trotzdem hatte er fast sein ganzes Berufsleben an diesem einen Ort verbracht, der Rathgar Garda Station in Dublin. So etwas gab es fast gar nicht mehr, weil Streifenpolizisten regelmäßig versetzt wurden.
    »Die Sache ist die, wenn man so lange an einem Ort ist, sieht und hört man Dinge, die man sonst gar nicht mitkriegen würde. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl für die Leute, wissen Sie?«
    »Ja, ich weiß«, sagte Mulcahy. »Also, was haben Sie für uns?«
    »Na ja, das ist jetzt schon ein paar Jahre her, aber kennen Sie Palmerston Park?«
    »Natürlich, ich bin in Milltown aufgewachsen.« Auf dem Nachhauseweg von der Schule war Mulcahy häufig an dem eleganten Halbkreis aus viktorianischen Villen vorbeigegangen.
    »Gut, wie schon gesagt, ist das alles schon ein paar Jährchen her, aber damals hat da ein junger Bursche gewohnt. Sean Rinn hieß er. Kam aus einer sehr guten Familie.«
    Der Name kam Mulcahy entfernt bekannt vor.
    »Sein Großvater war Richter am High Court«, fuhr der Sergeant fort. »Aber mit dem Jungen haben die mächtig Probleme gehabt. Ich hatte auch ein paarmal mit ihm zu tun, aber natürlich war Oberrichter Rinn immer zur Stelle und hat bei irgendeinem hohen Tier ein gutes Wort für ihn eingelegt.«
    Ein Anflug weinerlichen Ressentiments hatte sich in die Stimme des alten Mannes geschlichen, ganz ähnlich wie bei vielen Anrufen, die das Hinweis-Team erhielt. Mulcahy war sofort geneigt, die Deckung wieder hochzunehmen.
    »Und was genau hat das mit dem Fall zu tun, wegen dem Sie mich anrufen?«
    Es musste etwas hart geklungen haben, denn der alte Mann fing sofort an, sich zu entschuldigen. »Ach, meine Frau hat mir schon gesagt, dass ich Sie nicht mit alten Geschichten behelligen soll. Klar, was soll der Name Ihnen schon sagen? Ich habe es nie geschafft, ihn wegen irgendwas dranzukriegen. Es ist bloß, als ich diese Sachen in der Zeitung über den Priester gesehen hab, musste ich an Rinn denken und dachte mir, da ruf ich Sie mal an. Nur für den Fall der Fälle.«
    Mulcahy verspürte einen Anflug von Schuld. Schließlich tat der Mann nur seine Pflicht. »Gut, dann erzählen Sie mir, was Sie haben, dann werden wir

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