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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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uns die Sache mal angucken.«
    Aber der Sergeant hatte nur ein paar vage, verschlungene Geschichten über diverse, gewaltsame Übergriffe von einem »Sexmonster«, wie er es nannte, das Mitte bis Ende der Achtziger in der Umgebung von Palmerston Park sein Unwesen getrieben hatte. Er war noch immer überzeugt, dass dieser Rinn dafür verantwortlich war, hatte ihm aber nie etwas nachweisen können.
    »Wegen seines Großvaters haben sich die von der Kripo geweigert, ihn genauer in Augenschein zu nehmen«, sagte Brennan. Mulcahy wusste, dass so was früher öfters vorgekommen war, in erster Linie hatte sie jedoch vermutlich der Mangel an irgendwelchen Beweisen abgeschreckt.
    »Oder er war es nicht«, warf Mulcahy ein.
    »Doch, doch, er war’s. Ein Mädchen hat ihn gesehen und uns eine Beschreibung gegeben, die mich überzeugt hat. Aber weitere Beweise hatte ich nicht. So wie der Richter uns damals auf die Finger geguckt hat, war da nichts zu machen.«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Na ja, das war’s schon fast, außer dass die Übergriffe ein paar Monate später einfach aufhörten – ganz plötzlich, einfach so. Und raten Sie mal, wer genau zu diesem Zeitpunkt weggeschickt worden war?«
    »Weggeschickt im Sinne von ins Gefängnis geschickt?«
    »Leider nicht«, sagte der Sergeant bitter. »Nein, weggeschickt in dem Sinne, dass seine Großeltern ihn aus der Schusslinie genommen haben. Sie haben ihn ins All Hallows College geschickt, wo er eine Ausbildung zum Priester machen sollte.«
    »Zum Priester?« Jetzt spitzte Mulcahy wieder die Ohren.
    »Genau.«
    »Und wie lange ist das jetzt her, Sergeant?«
    »Achtundachtzig oder neunundachtzig muss das gewesen sein. Später auf keinen Fall.«
    »Und was war danach? Gab es weitere Angriffe?«
    In der Leitung wurde es einen Moment lang still. »Nein, sie haben aufgehört.« Der alte Sergeant klang jetzt sehr unsicher. »Aber genau darauf will ich ja hinaus.«
    »Und das ist alles? Das ist die Verbindung, die Sie zum Priester hergestellt haben?« Mulcahy drehte die Augen nach oben.
    »Ja, aber …«
    Mulcahys Handy klingelte. Er nahm es vom Schreibtisch und sah, dass Brogan dran war.
    »Tut mir leid, Sergeant. Hier kommt noch ein Anruf rein. Geben Sie mir Ihre Nummer, dann rufen wir Sie zurück.«
    Er bat Brogan zu warten, während er die Nummer aufschrieb, und versprach dem alten Mann, dass ihn jemand wegen der Details anrufen würde.
    »Claire, was kann ich für Sie tun?«
    »Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass es langsam etwas ruhiger wird?«
    Es rauschte im Hintergrund, was Mulcahy zu der Vermutung brachte, dass sie aus dem Auto anrief.
    »Sie belieben zu scherzen, was?«
    »Schön wär’s. Die Leute in der Pressestelle fangen an durchzudrehen. Das muss das reinste Irrenhaus sein. Sie brauchen ein paar Leute für die Bearbeitung der Medienanfragen. Ich dachte, Sie hätten vielleicht ein paar Leute über?«
    »Keine Chance. Die Telefone klingeln hier ununterbrochen.«
    »Herrje, was für ein Durcheinander. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass das passieren wird.«
    »Ja, das haben Sie«, sagte er.
    »Wovon, in Gottes Namen, reden Sie, Siobhan?«
    Entweder war Vincent Bishop der beste Schauspieler, mit dem sie je zu tun gehabt hatte, oder er hatte wirklich und wahrhaftig keine Ahnung, wovon sie sprach.
    »Hören Sie, jetzt setzen Sie sich mal hin. Oder beruhigen Sie sich wenigstens, okay? Das ist ja lächerlich. Was ist los? Und was um alles in der Welt hat Roy Orbison damit zu tun?«
    Er hielt ihr die CD -Hülle vors Gesicht, deren Folienverpackung im Licht des Restaurants glänzte. Dabei schüttelte er den langen, schmalen Kopf mit den strähnigen Haaren, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst – was ja gewissermaßen auch der Fall war. Auf dem Weg hierher hatte sie es für eine gute Idee gehalten: Die diebische Vorfreude, als sie in den HMV -Laden gegangen war und das Album Roy Orbison’s Greatest Hits gekauft hatte. Die Befriedigung, die sie verspürt hatte, als sie ihm die CD vor die Nase gehalten und gezischt hatte: »Besorgen Sie sich einen CD -Player, Vincent. Sie können ihn sich leisten.«
    Offenbar war es wohl doch keine so gute Idee gewesen. In all den Jahren, in denen sie Leute bei ihrer Arbeit auf der Türschwelle überraschte, hatte sie mehr als genug verblüffte und schockierte Mienen gesehen. Die ganze Skala. Sowohl echte als auch gespielte. Aber das nackte Unverständnis, das aus Vincent Bishops Gesicht sprach, als der sie mit offenem Mund

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