Der Priester
nichts zu sehen. Mulcahy blätterte um bis zum Ende der Aussage, und da war er, der Name des Fahrers, getippt und unterschrieben neben der Adresse, die er angegeben hatte. Mulcahy hatte gewusst, dass er den Namen schon einmal gesehen hatte – den Namen, den der Sergeant ihm genannt hatte: Sean Rinn. Und er wohnte auch noch in Palmerston Park, ganz in der Nähe von dem Ort, an dem die Frau überfallen worden war.
Mulcahy hörte ein Hüsteln und blickte auf. Der Bote stand am Fenster und drückte den Stummel außen auf dem Metall-Fensterbrett aus.
»Immer heißt es, dass alles bereit zum Abholen ist«, beklagte er sich bei der Stadt da draußen vor dem Fenster, die ihm nicht zuhörte. »Das ist es aber nie, verdammt noch mal.«
Das Haus am Palmerston Park war eine der größten Doppelhausvillen, die man in Dublin besitzen konnte. Spätviktorianisch, aus solidem Backstein gebaut erhoben sich die drei Stockwerke mit kleiner werdenden, verschnörkelten Flügelfenstern, deren oberstes in einem schönen Bogen aus einem verzierten Mansardendach herausragte. Wie alle Häuser, die auf den malerischen, halbmondförmigen Park gegenüber blickten, war es von der Straße durch eine niedrige Granitmauer mit schwarzem Gitter abgetrennt. Nur die Hecken dahinter unterschieden sich. Bei den meisten Häusern war es Lorbeer, bei anderen Liguster. Bei diesem hatten die Besitzer sich für eine undurchdringliche, kurzgeschorene Säuleneibe entschieden.
Ziemlich schick für einen Taxifahrer, dachte Mulcahy, als er durchs offene Tor in die Zufahrt ging und der Kies unter seinen Füßen knirschte. Doch dann blieb er wie angewurzelt stehen. Ein schmaler Rasenbogen war das Einzige, was vom Vorgarten übrig war. Der größte Teil war zugunsten eines größeren Parkplatzes gepflastert, obwohl auf der linken Seite – vor der riesigen, freistehenden, zur Garage umgebauten Remise – viel Platz für Autos war. Stehen geblieben war er, weil vor dieser Garage ein Lieferwagen stand – ein ziemlich schmutziger, aber trotzdem eindeutig weißer Transit. Genau der Typ, der von dem Augenzeugen im Jesica-Salazar-Fall beschrieben worden war und im Randbereich der Überwachungskameras an der Stelle gehalten hatte, an der Catriona Plunkett im Fairview Park zurückgelassen worden war. In der Stadt gab es natürlich Tausende solcher und ähnlicher Wagen, und sie hatten die Marke und das Modell, das sie suchten, immer noch nicht genau ausgemacht, trotzdem weckte er Mulcahys Aufmerksamkeit und ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen.
Er ging die zwei Stufen zu der massiven, vertäfelten Holztür hinauf und drückte auf den großen Messingklingelknopf. Er wurde durch ein altmodisches Bimmeln tief im Inneren des Hauses belohnt – weiter geschah jedoch nichts. Er wartete einen Moment, dann versuchte er es noch einmal. Ohne Erfolg. Wieder dachte er an den Lieferwagen, fragte sich, warum niemand die Tür öffnete, als er hinter dem Haus etwas zu hören glaubte, vielleicht das Scheppern von Werkzeugen. Natürlich – es war schönes Wetter, möglicherweise waren die Bewohner hinten im Garten und hatten die Klingel nicht gehört. Mulcahy ging zum offen stehenden Holztor vor dem schmalen Durchgang zwischen dem Haus und der Garage. Er durchquerte diesen Gang und kam in einen herrlichen, mindestens fünfzig Meter langen Garten mit ausgewachsenen Buchen und Apfelbäumen und vielen bunten Blumenbeeten. Er sah aus, als stammte er direkt aus einem Einrichtungsmagazin. Erst als er auf der Veranda angekommen war, dort stehen blieb und sich umsah, entdeckte Mulcahy am anderen Ende des Gartens zwischen einem Erdhaufen, Brettern und anderen Baumaterialien einen knienden Mann. Er trug eine olivgrüne Militärhose und ein dünnes, dreckiges, weißes T-Shirt. Seine Muskeln zeichneten sich bei der Arbeit deutlich ab.
»Mr Rinn?«
Der Mann streckte seinen Rücken blitzartig, als hätte man ihn mit einer Peitsche geschlagen, verharrte aber ansonsten in der gleichen Position, den Arm ausgestreckt mit einem Fäustel in der Hand, und sah sich nicht einmal um.
»Mr Sean Rinn?«, versuchte Mulcahy es noch einmal. Jetzt drehte sich der Mann langsam um. Seine Augen waren vom Schirm einer Baseballkappe im Militärstil beschattet.
»Raus mit Ihnen. Raus, sonst rufe ich die Polizei«, schrie er plötzlich mit wutverzerrtem Gesicht. Oder war es angstverzerrt? Er stand auf und kam mit drohend erhobenem Hammer auf Mulcahy zu, bis der in die Tasche griff und seinen Dienstausweis
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