Der Priester
zog.
»Ich bin die Polizei«, sagte Mulcahy. »Jetzt nehmen Sie den verdammten Hammer runter und hören Sie mit dem Unsinn auf. Ich muss mit Ihnen reden.«
Das zeigte sofort Wirkung. Der Mann ließ den Hammer auf die Veranda fallen und fing an, die Hände zu wringen. Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Sind Sie Mr Sean Rinn?«, fragte Mulcahy, während er langsam auf den Mann zuging.
Der schüttelte den Kopf, und der Schirm seiner Baseballkappe zischte vor ihm durch die Luft.
»Nein, Sir. Er ist nicht da. Ich arbeite nur für ihn, leg hier Platten für einen Weg.« Er sprach mit flacher und leicht gepresster Stimme, wie es typisch war für die irischen Midlands. Außerdem schien es, dass er nicht der Hellste war und wahrscheinlich schon mindestens einmal Probleme mit der Polizei gehabt hatte, wenn man sich ansah, wie verängstigt er wirkte.
»Haben Sie eine Ahnung, wann er wieder zurückkommt?«
»Das hat er mir nicht gesagt, Sir.«
Mulcahy sah sich um. Das wirkte jetzt alles ganz normal. Er hatte den Mann nur erschreckt. »Arbeiten Sie hier regelmäßig?«
»Einmal in der Woche, Sir. Im Garten. Ich mach dann, was er mir sagt.«
Mulcahy nickte. »Und das ist Ihr Lieferwagen da draußen? Nicht der von Mr Rinn?«
»N-nein, Sir«, stammelte der Gärtner, und die Angst schien ihn wieder zu lähmen. »Der gehört mir, Sir.«
»Alles klar. Dann machen Sie sich mal lieber wieder an die Arbeit«, sagte Mulcahy, der zu dem Schluss gekommen war, dass das Gespräch ihn nicht weiterbrachte.
Er schrieb eine kurze Notiz für Rinn hinten auf eine seiner Visitenkarten, in der er ihn bat, sich bei ihm zu melden, und steckte sie in den Briefkasten, dann ging er zurück und setzte sich in seinen Wagen. Er schüttelte den Kopf. Wie um alles in der Welt kam ein Taxifahrer an so ein Haus? Von dem Gärtner gar nicht zu reden? Er sah die Fallakte an, die neben ihm auf dem Beifahrersitz lag. Was sollte er machen? Es gefiel ihm, endlich mal aus dem Büro raus zu sein, weg vom Computer und den unablässig klingelnden Telefonen. Aber wahrscheinlich war der alte Sergeant Brennan nur ein missmutiger, alter Schwätzer, dem eine Laus über die Leber gelaufen war – genau wie Rinn wahrscheinlich nur durch Zufall Zeuge eines Überfalls geworden war.
Mulcahy sah auf seine Uhr. Er hatte viel Zeit, außerdem war er sowieso gerade hier draußen. Er nahm die Akte, schlug sie wieder auf und überflog die Aussage des Opfers. Die Frau hatte ganz klar ausgesagt, dass man ihr nichts gestohlen hatte. Es fehlten weder ein Kreuz noch eine Kette, und es war auch nirgends davon die Rede. Er blätterte zurück zu den Details: Caroline Coyle, Cowper Road 22, Dublin 6. Nur eine Minute die Straße rauf. Geboren: 17/06/78. Dann war sie jetzt – einunddreißig. Zum Zeitpunkt des Überfalls dreißig? Sie lag vollkommen außerhalb des Opferprofils – alle anderen waren Teenager. Selbst Grainne Mullins war damals noch ein Teenager gewesen. Er dachte daran, was sein Besuch bei Grainne ans Tageslicht gebracht hatte, und kam zu dem Schluss, dass so etwas hier nicht zu erwarten war. Das Opfer war offensichtlich eine respektable, redegewandte Frau. Soweit er das beurteilen konnte, waren auch gründliche Ermittlungen durchgeführt worden. Es hatte jedoch einfach keine Hinweise gegeben, denen man nachgehen konnte. Sie war angegriffen worden. Der Angreifer hatte Angst bekommen und war geflohen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. So etwas passierte schon einmal. Eine Frau in dem Alter war um diese Zeit wahrscheinlich bei der Arbeit. Aber einen Versuch war es wert. Mulcahy zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Telefonnummer, die in der Akte stand.
Als er Caroline Coyle sah, fiel Mulcahy als Erstes auf, wie wohlhabend sie war. Er hatte das schon fast erwartet, nachdem ihm das glänzende Jaguar-Coupé aufgefallen war, das in der Einfahrt des vornehmen Stadthauses in Rathgar stand. Als sie jedoch die leuchtend rote Haustür öffnete, hätten Mulcahy ihre Wohlhabenheit und Kultiviertheit beinahe umgehauen. Die äußerst gepflegte Erscheinung tat ihr Übriges.
Sie bat ihn, »mit nach hinten« zu kommen, und er wusste gar nicht, wo er zuerst hinsehen sollte. Alles war umwerfend, von dem handgewebten Teppich bis hin zu den glänzenden, teilweise sogar vergoldeten Antiquitäten, die überall standen. Er glaubte, im Flur ein Gemälde von Paul Henry erkannt zu haben, und war sicher, dass das riesige Ölbild über dem Kamin im Wohnzimmer von William Orpen war:
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