Der Priester
Punkte sind dabei, dass unser Mann seinen Einsatz so weit erhöht hat, dass er nicht mehr zurückkann. Er hat einen Menschen umgebracht. Zweitens geht es um Mord. Der Fall wird also neu zugeteilt.«
»Ach, verdammte Scheiße noch mal!«, rief Hanlon ungläubig, der seine Erregung nicht im Zaum halten konnte und damit die Meinung fast aller im Raum zusammenfasste. »Ist denen klar, dass wir uns den Arsch aufgerissen haben?«
»Psst, Ruhe jetzt.« Brogan hob die flachen Hände, um die lauter werdenden, unzufriedenen Stimmen zu beschwichtigen. »Ich versteh ja, dass ihr sauer seid, aber ihr wisst, wie das läuft. Mord ist Mord.« Während sie darauf wartete, dass ihre Worte Wirkung zeitigten, wandte sie sich an Cassidy, der aus irgendeinem Grunde aussah, als versuchte er, ein Lächeln zu unterdrücken. Mulcahy fing an sich zu fragen, ob er an Halluzinationen litt oder träumte, als Brogan sich wieder den Polizisten zuwandte und auch ein Lächeln im Gesicht hatte.
»Ein letzter Punkt noch«, sagte sie. »Ich möchte, dass ihr mir gut zuhört. Ich habe gesagt, dass der Fall neu zugeteilt wurde. Ich habe nicht gesagt, dass wir nicht mehr dabei sind. Tatsächlich habe ich ein paar sehr gute Argumente dafür vorbringen können, dass sie uns als Ganzes mit hineinnehmen. Wir sind Teil des Mordermittlungsteams, ihr Trottel.«
Ein triumphales Johlen brach aus, und alle Polizisten im Raum lächelten und klatschten Beifall. Es war wie immer: Je bedeutender und blutiger der Fall war, desto dringender wollte jeder anständige Polizist daran mitarbeiten und den Täter schnappen. Besonders wenn man schon so viel Zeit und Herzblut investiert hatte. Für die meisten Detectives war eine Mordermittlung der beste und aufregendste Job, den sie sich wünschen konnten. Die Tatsache, dass ein Mädchen tot war, geriet dabei nicht in Vergessenheit. Doch ihnen war klar, dass sie jetzt eine noch bedeutendere Aufgabe vor sich hatten.
Cassidy winkte mit einer Hand, damit es etwas ruhiger wurde, und hielt mit der anderen Brogans Arm hoch, als hätte sie eine lokale Meisterschaft gewonnen.
»Sie ist sogar zum Deputy Senior Investigating Officer ernannt worden, Leute – man kann uns also nicht einfach an den Rand drücken.«
Wieder brandeten Applaus und anerkennende Rufe auf.
»Okay, dann packt mal eure Papiere und Laufwerke«, fuhr Brogan fort. »Alle, die einen Laptop haben, nehmen ihn mit. Das Einsatzzentrum ist ab sofort in der Kilmainham Garda Station. Das nächste Briefing findet dort um Punkt elf unter der Leitung von Detective Superintendent Lonergan statt. Denkt daran, dass ihr euch anmeldet, damit die Wagen auf den Parkplatz können. Sergeant Cassidy hat die Telefonnummer.«
Als das Scharren der Stühle den Raum erfüllte und die Leute anfingen, aufgeregt hin und her zu laufen, fiel Mulcahy auf, dass Brogan ihn ansah und mit einer kurzen Kopfbewegung zur Seite orderte.
»Glückwunsch«, sagte er. »Gut gemacht.«
»Ja, danke.«
»Aber schon etwas seltsam, dass er die Leiche so versteckt, oder? Besonders nachdem er sich so große Mühe gegeben hat, sie zu markieren.«
»Ja, seltsam ist das«, stimmte sie zu. »Das habe ich mir auch schon gedacht. Die Leiche hätte monatelang unter dem Rohr liegen können, bis irgendjemand zufällig darüber stolpert.«
»Im Prinzip ist das genau das Gegenteil von dem, was er draußen in Fairview getan hat.«
»Ich finde das auch unlogisch. Warum sollte er sie verstecken?«
»Warum wollen Menschen überhaupt irgendetwas verstecken?«
Sie sah ihm in die Augen und versuchte herauszubekommen, was er damit sagen wollte. »Glauben Sie, dass ihm der ganze Presserummel zusetzt? Dass er dem Druck nicht mehr standhält?«
Mulcahy zuckte die Achseln. »Das bezweifle ich. Bei den anderen Opfern hat er es so angestellt, dass man glauben musste, es sollte so schnell wie möglich bekannt werden.«
»Halten Sie es für möglich, dass er sich plötzlich deswegen schämt? Wie wahrscheinlich ist das, wenn man überlegt, was er den anderen angetan hat? Er hat sie zwar nicht getötet, aber immerhin halbtot zurückgelassen.«
»Das sieht er womöglich anders. Wer weiß, vielleicht war es ihm aus irgendeinem Grund wichtig, die Mädchen nicht zu töten? Und diese Grenze hat er jetzt überschritten, weil er sich hat hinreißen lassen und nicht mehr aufhören konnte oder so. Eventuell war der letzte Überfall ganz anders geplant gewesen.«
»Sofern es wirklich so etwas wie einen Plan gibt«, sagte Brogan und
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