Der Priester
nickte, während sie weiter darüber nachdachte und das Gespräch für spätere Überlegungen abspeicherte. Dann trat sie einen halben Schritt zurück und sah Mulcahy scharf an. »Sie wissen, dass Healy damit raus ist aus der Sache? Lonergan wird die Leitung der gesamten Ermittlung übernehmen.«
Mulcahy nickte und fragte sich, worauf sie hinauswollte. »Kennen Sie ihn?«
»Nein«, sagte sie, »aber spätestens heute Abend werde ich das.« Sie lächelte etwas zögerlich, bevor sie fortfuhr: »Die Sache ist die, Mike, ich habe heute Morgen nachgefragt, weil Sie ja schließlich nicht zu meinem Team gehören, na ja, worauf Healy geantwortet hat, dass Sie zurückbleiben müssen. Sie werden nicht der neu gebildeten Mordermittlungsgruppe zugeteilt. Warum, weiß ich nicht. Er hat nur gesagt, dass ihn die Übergabe den ganzen Vormittag in Anspruch nehmen wird, und mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass Sie sich bereithalten und ›auf weitere Befehle warten‹ sollen. Das waren seine Worte. Tut mir leid.«
Sie sagte es, als erwartete sie, dass Mulcahy ob dieser Nachricht am Boden zerstört wäre. Der reagierte allerdings genau umgekehrt. Er fühlte sich – insbesondere im Hinblick auf Murtagh und die frei werdende Stelle im Süden – extrem erleichtert. Herrje, wenn er im Zuge eines Massentransfers zur Mordkommission überstellt worden wäre, hätte es Monate dauern können, da wieder herauszukommen.
»Das ist in Ordnung, Claire. Ich werde etwas Sinnvolles finden, was ich noch erledigen kann.«
»Ehrlich?«, sagte sie und sah ihn an, als glaubte sie nicht, dass er es wirklich so locker nahm.
»Natürlich«, sagte er. »Ich schaff das schon.«
»Also, mir ist durchaus klar, dass nicht alles perfekt gelaufen ist, Mike, aber …«
Wenn sie drauf und dran war, etwas Nettes zu sagen, wurde sie durch Cassidy davon erlöst, der auf der anderen Seite des Zimmers einen Schrei ausstieß.
»Chef?«
Sie sah kurz zu ihm hinüber und dann wieder zu Mulcahy. Er beschloss, sie von ihrem Leiden zu erlösen. »Gehen Sie, Claire. Wir sehen uns.«
Sie wandte sich gerade ab, als es ihm wieder einfiel: »Oh, eins noch. Sie sind wohl nicht dazu gekommen, sich den Fall anzusehen, von dem ich Ihnen gestern Abend erzählt habe – Caroline Coyle?«
Sie blinzelte, schien nicht genau zu wissen, wovon er sprach. Offenbar hatten die Ereignisse des frühen Morgens seinen Bericht von gestern Abend zwischenzeitlich aus ihrem Gedächtnis gelöscht.
»Ach, Mist. Nein, Mike, tut mir leid. Das klang wirklich vielversprechend, aber … Ich war die ganze Nacht mit dem Leichenfund beschäftigt. Das war mir komplett entfallen. Können Sie es mir in einer E-Mail noch einmal kurz zusammenfassen? Ich setz dann sofort jemanden dran, okay?«
»Kein Problem«, sagte er, betrachtete ihren Rücken, als sie wegging, und sah dann Andy Cassidy, der ihn triumphierend von der anderen Seite des Raums angrinste. Das Arschloch. Den würde er nicht vermissen. Mulcahy wusste allerdings noch nicht genau, was er mit Sergeant Brennan machen sollte.
»Das ist prima gelaufen, Siobhan, alles klar«, tönte die körperlose Stimme des Produzenten Seosamh Gaffney direkt in ihre Ohren. Sie saß in einer kleinen Interviewkabine. Wenigstens konnte sie von hier aus die beiden Moderatoren in ihrem verglasten Studio sehen und mit ihnen Augenkontakt aufnehmen. Gaffney, der sie eingeladen hatte und dessen Augen immer größer geworden waren, als sie sich beim Verkabeln des Mikrofons über ihre Neuigkeiten unterhalten hatten, war während der Sendung in einem nahe gelegenen Kontrollraum verschwunden, um ein paar Knöpfe zu drücken. »Und tausend Dank noch mal. So eine aufregende Story haben wir seit Ewigkeiten nicht mehr in einer Sendung präsentieren können.«
Sie nahm den Kopfhörer ab und rieb sich die kribbelnden Ohren. Sie konnte Kopfhörer nicht ausstehen, mochte es nicht, wie ihre Stimme auf beiden Kanälen widerhallte. Aber so lief es bei Morning Ireland nun einmal, und Gaffney hatte es sich nicht ausreden lassen. Insbesondere weil er wollte, dass Siobhan mit anderen Interviewgästen diskutierte, die zugeschaltet wurden. Es war eine verdammt gute Sendung gewesen, weil alle im kleinen RTE -Nachrichtenstudio zu Höchstform aufgelaufen waren. Kein Zweifel, dies war ein echter Knüller, von dem die anderen Sender und Nachrichtenagenturen noch nicht einmal gerüchteweise gehört hatten. Lawlor und Mac Coille, die beiden Moderatoren, hatten sich förmlich überschlagen, um all ihre
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