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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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glaube, dieser Kerl ist dann irgendwann Vorsitzender des Höchsten Gerichts gewesen.«
    »Ein Richter?« Siobhans Nackenhaare sträubten sich, als ihr die Schlüsselworte von Mulcahys Suche wieder einfielen. Sie erinnerte sich an die Nachrufe, die sie gelesen hatte. Es war immer um einen alten Richter gegangen. Als die Kellnerin mit Dohertys Bier kam, durchwühlte sie ihre Tasche, gab ihr einen Zehneuroschein und schickte sie mit den Worten, dass sie den Rest behalten könne, schnell wieder weg.
    »Ja, ein Richter«, sagte Doherty und trank einen Schluck, bevor er fortfuhr. »Ein Junge aus dem Ort, der es zu etwas gebracht hatte. In Gweedore geboren und aufgewachsen. Ihm gehörte ein großes Haus am Meer, in dem er während der Gerichtsferien gewohnt hat. Der muss in jeder Beziehung ein richtiger, alter Bastard gewesen sein. Er hatte die Macht, Leute zum Schweigen zu bringen, und er hat sie auch genutzt – besonders bei der Polizei. Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde der junge Bursche nach dieser Sache sofort fortgeschafft und nie wieder gesehen. Helen Martin kam in eine Privatklinik, und die ganze Sache wurde vertuscht. Der Richter hat sogar noch eine Verfügung gegen den Courier durchgedrückt. Kein Wort darüber durfte nach außen dringen. Er soll die Familie des Mädchens bezahlt haben, aber wahrscheinlich hatten die sowieso keine andere Wahl, als den Mund zu halten. Die junge Helen muss sich dann wohl wieder erholt haben, kurz darauf sind sie weggezogen. Nach England, glaube ich.«
    Das arme Mädchen, dachte Siobhan und erschauderte. Sie fragte sich, wie hinterwäldlerisch und abgelegen Gweedore sein musste, dass da so etwas noch 1988 passieren konnte.
    Doherty musste an ihrer Miene erkannt haben, was sie dachte. »Wenn sie gestorben wäre, wäre das anders gelaufen. Selbst in den Achtzigern wurde da vor Priestern und Politikern oft noch ein Kotau gemacht – das hat sich lange gehalten, unter anderem wegen der Probleme drüben in Nordirland. Aber ihre Macht war im Schwinden begriffen. Was durch solche Vorfälle beschleunigt wurde, weil die Leute das einfach satthatten.«
    »Aber dieser Richter ist noch damit davongekommen?«
    »Ja, aber die Zeiten haben sich, wie gesagt, schnell geändert. Das hat in ganz Donegal viel böses Blut erzeugt. Er ist da nie wieder hingefahren, und das große Haus stand jahrelang leer, bis es nach seinem Tod verkauft wurde. Das muss vor 1997 gewesen sein, sonst hätten wir selbst diese kleine Anmerkung nicht veröffentlicht, die Sie im Internet gesehen haben. Der damalige Herausgeber war kein sehr kämpferischer Typ, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Oh ja, das kenne ich«, sagte Siobhan, nur um ihn bei Laune zu halten. »Ich überleg auch gerade, ob die Geschichte meinem Chef nicht schon ein bisschen zu riskant werden könnte. Ich meine, es ist eine Sache, dass keine Klage erhoben wurde, aber das klingt ja fast so, als ob es nicht einmal eine Festnahme oder einen Polizeibericht des Vorfalls gegeben hat, oder?«
    Doherty lehnte sich zurück und zuckte die Achseln. »Wenn es einen gab, ist der schon vor Jahren verschwunden. Aber jetzt, wo Sie es erwähnen … vielleicht lohnt es sich ja, dem mal nachzugehen. Obwohl die Leute die ganze Geschichte inzwischen vermutlich völlig vergessen haben.«
    »Also, meinetwegen brauchen Sie da nichts zu unternehmen«, sagte Siobhan schnell. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das verwenden würde. Falls Sie trotzdem etwas rauskriegen, versprechen Sie mir, dass Sie mich als Erste informieren?«
    Doherty lachte: »Sie haben recht, Siobhan. Abgemacht. Obwohl ich nicht glaube, dass irgendetwas anderes deshalb nächste Woche von unserer Titelseite fliegt. Das heutige Spiel und die Kürzungen beim Letterkenny General Hospital, das sind die Themen, die die Leute oben im Nordwesten interessieren.«
    Siobhan entschuldigte sich noch einmal bei Doherty dafür, dass sie seine Zeit verschwendet hätte, und sagte, dass sie wieder in die Tretmühle müsse, worauf er mit seinem halbvollen Bierglas an die Bar schlenderte. Der abschließende Bluff war zwar riskant, aber sie musste verhindern, dass Doherty die Story weiterverfolgte. Wer weiß, vielleicht war der Kerl ja deutlich gewiefter, als sie dachte. Davon ging sie jedoch nicht aus. Indem sie gesagt hatte, dass sie kein weiteres Interesse an der Story hätte, hatte sie praktisch den Stecker gezogen. Für ihn waren es ohnehin nur olle Kamellen. Und selbst wenn er ein paar Nachforschungen

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