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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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immer erträumt. Sie hörte, wie er das Handy mit der Sprechmuschel abdeckte und jemandem sagte, sie sollten ohne ihn weitermachen, weil er einen dringenden Anruf hätte. Er würde gleich nachkommen.
    »Ich hoffe, ich unterbreche Sie nicht bei Ihrer Golfrunde«, sagte sie, als er wieder dran war.
    »Ich bin nicht Golf spielen«, sagte er. »Sonst hätte ich keine Zeit gehabt, nicht einmal für Siobhan Fallon. Genau genommen bin ich heute ganz in Ihrer Nähe – zum großen Match im Croke Park. Wir sind gleich um die Ecke von Ihnen und wollen gleich noch die Gastfreundschaft des ShelbourneHotels in Anspruch nehmen. Das kennen Sie bestimmt, am St. Stephen’s Green.«
    Er sprach in einem koketten und etwas schalkhaften Ton. Er ist es gewohnt, der Hecht im Karpfenteich zu sein, dachte sie, und offensichtlich hatte er genug Selbstvertrauen. Sie blickte zu der geschlossenen Tür von Heffernans Büro hinüber und traf spontan eine Entscheidung.
    »Was meinen Sie? Könnten Sie sich für ein kurzes Gespräch von der Bar entfernen, Eamon, wenn ich in den nächsten Minuten zu Ihnen stoßen würde?«
    Die Uhr hatte noch nicht einmal Mittag geschlagen, trotzdem war der elegante, georgianische Tea Room des Shelbourne-Hotels voller Männer in Jeans und Fußballtrikots, die große Gläser Guinness in sich hineinkippten. Siobhan wusste, dass es nur diejenigen waren, die in die Hufeisen-Bar nicht mehr hineingepasst hatten – und so unpassend sie hier wirkten, war ihr doch klar, dass es bei Heimspielen im Shelbourne immer so aussah. Siobhan holte Doherty an der Rezeption ab, ergriff sofort, nachdem sie sich vorgestellt hatte, seinen Ellbogen und zog ihn mit sich zu ein paar leeren Stühlen in einer ruhigen Ecke der Lobby. Er sah nicht aus, wie sie es erwartet hatte, war kleiner, haariger und erheblich älter. Sie merkte jedoch sofort, dass er von ihr nicht enttäuscht war. Und er hatte offenbar schon eine ganze Menge gepichelt. Sie betete nur, dass das sein Gedächtnis nicht beeinträchtigte.
    »Also, was ist so dringend, dass Sie mich vom Trinken abhalten müssen?«, fragte er und blinzelte nicht so unwiderstehlich, wie er glaubte.
    Sie erzählte ihm von seinem Gerichtsartikel aus dem Jahr 1997 und fragte, ob er sich noch daran erinnerte, besonders die Verbindung zur früheren Story über Helen Martin. Nach seinem anfänglichen überraschten Grunzen hatte sie den Eindruck, als könnte sie fast hören, wie sich die Rädchen in seinem Gehirn in Bewegung setzten. Doch bevor er antwortete, stellte er erst einmal selbst eine Frage.
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich frage, warum Sie das wissen wollen?«
    Sie lächelte ihn an. »Es geht nur um eine Hintergrundrecherche für einen Artikel, Eamon. Hören Sie, ich hätte nicht behaupten sollen, dass es dringend ist. Die Frau am Telefon klang allerdings nicht so, als wäre sie besonders scharf darauf, Ihnen das Wochenende zu versauen. Aber falls irgendetwas dabei herauskommt, werde ich Sie und den Courier erwähnen. Wenn Sie wollen, kann ich auch versuchen, ein paar Euros für Sie rauszuschlagen.«
    Eigentlich hatte sie seine Frage nicht beantwortet, trotzdem schien er erst einmal zufrieden zu sein.
    »Also, ich weiß nicht genau, was ich Ihnen dazu sagen kann. Die Geschichte mit Helen Martin ist ja schon über zwanzig Jahre her – auf jeden Fall war das vor meiner Zeit. Ich bin erst 1994 zum Courier gekommen und war 1988 noch auf dem College. Außerdem bin ich sowieso von der anderen Seite Donegals, aus der Gegend von Killybegs. Aber man kriegt natürlich mit, was die Leute sich so erzählen.«
    Siobhan hörte ein raues Lachen aus der Bar und sah auf die Uhr. Griffin und die anderen würden noch eine Weile für ihre Konferenz brauchen.
    »Und das wäre?«, fragte sie.
    »Also gut. Helen Martin war ein junges Mädchen aus Gweedore. In jeder Beziehung ein reizendes Kind, aber die Familie ist kurz darauf weggezogen, weiß der Himmel, wohin. Wenn ich mich richtig erinnere, ist sie – damals war sie fünfzehn oder sechzehn Jahre alt – von einem anderen Jugendlichen angegriffen wurde, einem jungen Burschen aus Dublin, der die Sommerferien da oben verbracht hat. Und hinterher ist die ganze Sache unter den Teppich gekehrt worden, was in der Gegend viel böses Blut erzeugt hat.«
    »Erinnern Sie sich noch an irgendwelche Einzelheiten?«, fragte sie.
    »Eigentlich nicht, nur dass der junge Bursche Helen fast totgeprügelt hat. Mit einem … mit einem eisernen …«
    Er stoppte plötzlich und

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