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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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der Ältere auch noch das vertraulichere »tu« benutzte. Ganz offensichtlich waren sie sich schon oft begegnet. Anscheinend war Mulcahy nicht der Einzige, dem Javier mit der Fahrt zum Flughafen einen Gefallen getan hatte.
    »Dies ist der Polizeibeamte aus Dublin, Sir«, verkündete Martinez, als er Salazar durch den Raum führte. »Ein guter Mann und ein Freund von mir, Detective Inspector Mike Mulcahy.«
    »Ja, ich habe von ihm gehört«, sagte der alte Mann. »Er wurde von den Botschaftsmitarbeitern sehr gelobt. Er spricht unsere Sprache, oder?«
    »Einen guten Tag, Sir«, sagte Mulcahy. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Mein Spanisch ist alles andere als perfekt, ich hoffe aber, es reicht für die Befragung. Ich werde mein Bestes tun, um das Ganze für Ihre Tochter so unproblematisch wie möglich zu machen.«
    Martinez hatte diese formelle Herangehensweise vorgeschlagen, doch Salazar interessierte sich nicht für Nettigkeiten.
    »Der Mann, den Sie festgenommen haben, ist also derselbe, der meine Tochter überfallen hat?«, fragte er anklagend. »Wie ich gehört habe, soll er seitdem noch ein Mädchen ermordet haben – noch ein Kind. Ist das richtig?«
    »Die Ermittlungen laufen noch, aber ja, der Verdächtige könnte die beiden Verbrechen und vermutlich noch mindestens ein weiteres begangen haben. Mehr können wir im Moment allerdings noch nicht sagen.«
    Er schwieg, als Salazar missbilligend schnaufte und Martinez einen skeptischen Blick zuwarf, dem es allerdings ausgezeichnet gelang, so zu tun, als bemerke er ihn gar nicht. Bevor der alte Mann weitersprechen konnte, fuhr Mulcahy fort: »Wir hoffen, dass Ihre Tochter uns weiterhelfen kann, diesen Mann für immer hinter Gitter zu bringen.«
    Einen Moment lang sah Salazar aus, als wollte er eine geringschätzige Bemerkung machen, doch dann senkte sich ein Schatten auf sein Gesicht, und er schien leicht in sich zusammenzusacken. Traurigkeit schien ihn erfasst zu haben. Er bot Mulcahy seine Hand an.
    »Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen bedanken, weil Sie das Verhör unterbrochen haben, dem sich meine Tochter schändlicherweise unterwerfen musste, obwohl sie erst wenige Stunden zuvor überfallen worden war. Das hätte niemals passieren dürfen. Es war ein Skandal. Sie sollen jedoch wissen, dass ich Ihnen für Ihre Intervention sehr dankbar bin.«
    Mulcahy war nicht sicher, was er darauf sagen sollte, weil es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Da er nicht sah, inwiefern es der Sache geholfen hätte, den Mann aufzuklären, schüttelte er schweigend die ausgestreckte Hand.
    »Ich hatte gedacht, es wäre gut für sie«, fuhr Salazar fort, während er Mulcahy noch trauriger, fast schon resigniert ansah, was gar nicht dem unnahbaren Image entsprach, mit dem sich der Politiker in der Öffentlichkeit präsentierte. »Sie sollte ein paar Wochen Abstand von mir und der Politik gewinnen und sehen, wie normale Menschen leben. Also habe ich ihren Bitten nachgegeben, mit ein paar Schulfreundinnen nach Dublin gehen zu dürfen. Ich habe gedacht, es ist Irland, ein katholisches Land, da ist sie sicher. Ich hätte es besser wissen müssen.«
    Mulcahy widerstand dem Drang, etwas darauf zu erwidern. Es war besser, einfach weiterzumachen und auf neutralem Boden zu bleiben.
    »Darf ich fragen, wie es Ihrer Tochter inzwischen geht, Sir?«
    »Danke, es geht ihr so gut, wie man es sich unter den gegebenen Umständen nur wünschen kann. Und wir sollten auch fortfahren. Je eher es erledigt ist, desto eher kann sie anfangen, das alles hinter sich zu lassen. Ich bringe Sie zu ihr.«
    Salazar bat den Butler, seinen Besuchern den Weg zu zeigen, worauf sie durch eine Reihe geschmackvoll eingerichteter und trotzdem trostloser Flure gingen. Salazar blieb etwas zurück und verwickelte Martinez in ein leises Gespräch, von dem Mulcahy nur mitbekam, dass es um einen gemeinsamen Bekannten ging. Als der Butler schließlich eine Tür öffnete und sie hineinbat, fanden sie sich zu Mulcahys Überraschung in einem sparsam eingerichteten Wartezimmer wieder, in dem schon drei andere Personen saßen. An der Art, wie sie sich zu ihm umdrehten, und an ihren prüfenden Blicken erkannte er, dass sie wussten, warum er hier war.
    Salazar stellte sie einander vor. »Inspector Mulcahy, darf ich vorstellen: Doktor Mendizabal, die Psychiaterin meiner Tochter, Señor Don Ruiz Ordonez, mein Anwalt, und äh …?«
    »Die Polizeistenografin, Don Alfonso«, unterbrach Martinez ihn schnell. »Um das Gespräch

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