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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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Rathgar Zeuge eines gewaltsamen Überfalls auf eine Frau geworden war, als ihm klar wurde, dass er seine E-Mails noch nicht gelesen hatte. Er öffnete den Posteingang und sah, dass eine lange Liste mit Antworten auf seine Anfragen an die Polizeireviere im Großraum Dublin hereingekommen war. Er sah auf die Uhr und dann zu Brogan hinüber, die in eine Diskussion vertieft zu sein schien. Er hatte noch ungefähr eine Dreiviertelstunde bis zum Anruf in der Botschaft. Er klickte auf die erste Mail und begann zu lesen.
    In der Nachrichtenzentrale des Sunday Herald saß auch Siobhan an ihrem Computer. Ihre Finger flogen über die Tastatur, und auf dem Monitor reihten sich die Buchstaben zu Worten aneinander. Gelegentlich gingen ihr ein paar angenehme Erinnerungsfetzen der letzten Nacht durch den Kopf, doch sie ließ sich davon nicht ablenken. Die Haare gekämmt, das Gesicht geschminkt, die Lippen in einem glänzenden Purpurrot, da wäre keiner ihrer Kollegen – nicht einmal der gewiefteste, zynischste und erfahrenste Journalist – auf die Idee gekommen, dass sie die Nacht irgendwie anders als mit erholsamem Schlaf verbracht hatte. Vielleicht wäre ihnen eine gewisse Begierde in ihrem Blick aufgefallen, eine vor Konzentration gefurchte Augenbraue, ein paar kaum verborgene Begeisterungsfalten um ihre Mundwinkel, was sie womöglich als Anzeichen interpretiert hätten, dass sie gerade eine brandheiße Story am Wickel hatte.
    Auf dem Weg zur Arbeit hatte sie darüber nachgedacht, ob sie im Blue Light bei Mulcahy zu schnell aufgegeben hatte. Aber sie hatte gemerkt – und war sich immer noch sicher –, dass Mulcahy sich niemals darauf eingelassen und ihr etwas über das Mädchen verraten hätte. Und auch sonst hätte sich nichts entwickelt, wenn sie nicht auf seine Bedingungen eingegangen wäre. Und das war es ja wohl auch wert gewesen. Sie konnte sich vorstellen, dass die Sache mit ihm weiterging, und darüber freute sie sich wirklich vorbehaltlos. Dann, kaum war sie im Büro, hatte den ersten Kaffee getrunken und den Computer hochgefahren – was hätte da anderes kommen können als die Bestätigung, dass sie trotzdem nicht vergessen durfte, an sich selbst zu denken.
    Sie hörte die Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter ab: »Diese Mitteilung ist für Fallon. Die Reporterin.« Es war eine harte, unfreundliche und eigenartig geschlechtslose Stimme – vor allem weil sie stark, wenn auch amateurhaft, verstellt war. »Ein Freund bei der Truppe meinte, Sie suchen Informationen über einen Fall, an dem ich arbeite. Über ein Mädchen aus Spanien. Ich kann Ihnen helfen, das kostet aber was.«
    Der Anrufer wusste, was er tat, indem er ein paar saftige Häppchen hinterließ, um den Appetit zu wecken und zu zeigen, dass er wirklich etwas zu erzählen hatte. Dann machte er ein paar detaillierte Angaben über den Zeitpunkt seines nächsten Anrufs und was er für die Informationen verlangte. Siobhan spulte zurück und hörte sich den Anruf noch einmal an. Sie nahm an, dass es sich um einen der von Des Consodine erwähnten Gardaí handelte, der seine Beteiligung an den Ermittlungen zu Geld machen wollte, aber Angst hatte, direkt mit ihr in Verbindung zu treten. Einen Moment dachte sie an Mulcahy und seine verdammte Integrität, kam aber zu dem Schluss, dass sie ihn genau so wollte. Dann dämmerte ihr, dass ihr das sogar zugutekam. Die geringfügigen Bedenken, die sie gehabt hatte, eine Story zu verfolgen, die mit einem Mann zu tun hatte, mit dem sie ins Bett ging, waren jetzt vollständig verflogen. Er hatte ihr die perfekte Ausrede gegeben, indem er gesagt hatte, dass er der Letzte wäre, mit dem sie über diesen Fall reden sollte. Tja, das brauchte sie jetzt nicht mehr. Solange sie sich daran hielt, konnte sie nichts falsch machen.
    Die meisten E-Mails, die Mulcahy als Antwort auf seine Anfrage bekommen hatte, waren nutzlos: kurze, abschlägige Auskünfte, dass sie vor Ort keine Informationen hätten, die den Angaben entsprachen. Diejenigen, in denen mehr Einzelheiten angeführt wurden, konnte man ebenso gut als negativ werten, da sie nichts Relevantes enthielten. Die Formulierung »religiöse Untertöne« hatte die Fantasie einiger Witzbolde und Einfaltspinsel in ein paar Revieren in und um Dublin strapaziert, was dazu führte, dass er sich durch einen Haufen Berichte wühlen musste, die alles Mögliche enthielten – von langatmigen Ermittlungen über eine Frau aus Cabra, die geradezu krankhaft in den päpstlichen Nuntius verliebt

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