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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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verschwand um die Ecke in eine Gasse, die so gut vom Verkehrslärm abgeschirmt war, dass sie ihr Handy benutzen konnte. Als sie sich mit dem Rücken an die Backsteinwand lehnte, zitterten ihre Hände. Sie stieß auf die Kurzwahltaste mit Bishops Nummer, wollte die Situation unbedingt wieder unter Kontrolle bekommen.
    Er meldete sich sofort.
    »Hi, Siobhan …«
    »Vincent, was um alles in der Welt bilden Sie sich ein?«

10
    Mulcahy nickte dem Wachmann, der die eisenbeschlagene Tür hinter ihm schloss, zum Abschied kameradschaftlich zu, trat ins Sonnenlicht und zog die Zigarettenschachtel heraus, die er schon seit über einer Stunde in der Jackentasche umklammerte. Er zündete sich eine Zigarette an, saugte den Rauch tief in seine Lungen und atmete mit einem von Herzen kommenden Seufzer der Erleichterung wieder aus. Dabei versuchte er, die in aller Höflichkeit vorgebrachte Abfuhr zu vergessen, die der spanische Botschafter und Ibañez ihm erteilt hatten.
    »Meine Regierung erwartet, dass die Garda Síochána diesen Fall mit der Dringlichkeit behandelt, die dem Status der beteiligten Personen entspricht, Inspector«, hatte Botschafter Escriva betont. Der große, blonde Mann, dessen Manieren noch untadeliger waren als sein Anzug, gab insgesamt eine imposantere Figur ab als sein kleiner Botschaftssekretär.
    »Ich kann Ihnen versichern, dass der Fall mit absoluter Priorität behandelt wird, Herr Botschafter«, hatte Mulcahy erwidert und wiederholte das dann noch in hundert Variationen, weil der Diplomat immer wieder darauf zu sprechen kam.
    Auf dem Weg zu seinem Wagen drehte Mulcahy sich noch einmal um. Er konnte der Pracht des Hauses im Kolonialstil mit dem üppigen, gepflegten Garten nicht widerstehen. Wie die meisten alten diplomatischen Vertretungen in Irland befand sich auch die spanische Botschaft in einer der großen Villen im Dubliner Postleitzahlbezirk 4. Ob durch Zufall, raffinierte Spekulation oder den Glanz, den ein diplomatischer Posten mitbrachte, war dies eines der wenigen Viertel in der Stadt, das vom katastrophalen Absturz der Grundstückspreise nicht betroffen war. Snobismus schien selbst eine Rezession nichts anhaben zu können.
    Plötzlich zerstörte sein Handy die Ruhe um ihn herum. Er sah aufs Display, erkannte die Telefonnummer von Javier Martinez und meldete sich unwirsch.
    »Herrgott noch mal, das ging jetzt aber wirklich fix«, sagte Mulcahy.
    Am anderen Ende der Leitung ertönte ein verwirrtes, Scooby-Doo-artiges Grunzen. »Was willst du mir damit sagen, Mike?«
    »Ich stehe vor der Botschaft, Jav. Ich hab die hier gerade erst auf den neuesten Stand …«
    »Darüber weiß ich nichts«, unterbrach Martinez ihn etwas distanziert. »Eigentlich rufe ich an, weil ich dich auf den neuesten Stand bei uns bringen wollte. Nach unserem letzten Telefonat habe ich ein Investigationsteam gebeten, die aktuelleren Drohungen gegen Don Alfonso neu zu bewerten.«
    »Und?«
    »Sie meinen, etwas gefunden zu haben, was für deinen Fall bedeutsam sein könnte.«
    »Wirklich?« Mulcahy gab sich keine Mühe, seine Überraschung zu verbergen.
    »Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht«, antwortete Martinez. »Immerhin handelt es sich nicht um eine anonyme Drohung, sondern sie stammt von einer ETA -Zelle, die gesagt hat, sie würde Don Alfonso oder die Mitglieder seiner Familie bei jeder sich bietenden Gelegenheit umbringen, auch dort, wo sie am wenigsten damit rechneten, sowohl in Spanien als auch im Ausland .«
    Mulcahy seufzte tief. »Na ja, sehr konkret ist das aber nicht, Jav. Glaubst du wirklich …«
    »Ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll«, unterbrach Martinez ihn wieder. »Meine Leute glauben, dass die ETA historisch gesehen Verbindungen zur Provisional IRA hat und Irland daher … Wie gesagt, ich weiß es nicht. Aber der Mann, den ihr da in Gewahrsam habt, hat keine Verbindungen zur IRA , oder?«
    »Scully?«, schnappte Mulcahy. »Nein, hat er nicht. Also, wir wissen jedenfalls nichts davon. Und nach allem, was ich bisher gehört habe, kann ich es mir auch nicht vorstellen. Ich werde das natürlich überprüfen.«
    »Gut«, sagte Martinez. »Gib mir Bescheid, wenn du etwas rauskriegst.«
    Mulcahy beendete das Gespräch und schüttelte ungläubig den Kopf. Eine ETA - IRA -Verbindung? Herrje, die Sache wurde von Minute zu Minute verrückter. Irgendetwas Sinnvolles musste er doch jetzt tun können. Als er den Autoschlüssel aus der Tasche zog, berührte sein Finger den Zettel, auf den er Grainne

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