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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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gewesen war (sie war eines Nachts in die Nuntiatur eingebrochen, worauf den unglücklichen italienischen Kleriker fast der Schlag getroffen hatte, als er aufwachte und sie neben sich schlafend entdeckte) bis zu einer stumpfsinnigen Liste von Einbruchdiebstählen in Kirchenräume im Bereich Santry während der letzten fünf Jahre. Alles andere waren im Großen und Ganzen die unvermeidlichen Nebenprodukte der kirchlichen Missbrauchsskandale des vergangenen Jahrzehnts: Gerüchte und Berichte über Priester, die des Missbrauchs von Kindern beschuldigt worden waren.
    Nur ein Bericht stach heraus. Als er die knappe Zusammenfassung in der E-Mail überflog, fing sein Nacken an zu kribbeln. Dieses Kribbeln wurde stärker, als er die angehängte Seite aus einer Akte las. Es ging um einen gewaltsamen Überfall auf die neunzehnjährige Grainne Mullins aus Irishtown vor ziemlich genau einem Jahr. Sie war auf der Straße vor ihrem Haus von einem Mann angegriffen und hinter einen Busch gezerrt worden, wo er ihre Hände mit Kabelbindern gefesselt, sie gewürgt, sich vor ihr entblößt und ihr dann mit einem Messer zwei Kreuze in die Brust geritzt hatte. Abgesehen von diesem einseitigen Bericht fand sich am oberen Seitenrand nur noch die Bemerkung zum aktuellen Stand des Falls: Eingestellt.
    Mulcahy griff zum Telefon und rief den Sergeant im Revier in Ringsend an, der die Mail an ihn weitergeleitet hatte. Er war im Dienst, konnte ihm jedoch kaum weiterhelfen. Die fragliche Akte sei auf Eis gelegt worden, nachdem der Detective, der das Mädchen vernommen hatte, kurzfristig zur Unterstützung in einer wichtigen Mordsache abgezogen worden war. Der Mann sei daraufhin befördert und versetzt worden – und der Fall offenbar irgendwie in Vergessenheit geraten. Erst vor ein paar Tagen habe man das im Zuge einer Routineprüfung sämtlicher unerledigter Fälle entdeckt.
    »Und das Opfer hat sich zwischendurch nicht wieder gemeldet?«, fragte Mulcahy, der verblüfft war, dass ein so ernster Fall in Vergessenheit geraten konnte.
    »Sieht wohl nicht danach aus, was?«, erwiderte der Sergeant.
    »Aber als Detective Branigan versetzt wurde, lief die Ermittlung noch?«
    »Wenn ich das richtig verstanden habe schon.«
    »Und wie ist dann das ›Eingestellt‹ in die Kopfzeile geraten?«
    »Woher soll ich das wissen?«, antwortete der Sergeant. Man hörte einen Anflug von Bedauern in seiner Stimme, dass er so dumm gewesen war, noch einmal nachzuforschen. »Vielleicht hat Branigan es ja auch weitergeleitet und die Akte in der Eile falsch abgelegt. So was soll ja gelegentlich mal vorkommen, wissen Sie?«
    »Schon möglich«, erwiderte Mulcahy, der nicht überzeugt war.
    »Na ja, Sie von der Nationalpolizei vergessen leicht mal, wie das hier vor Ort auf den Revieren aussieht. Meistens geht es hier zu wie in einer verdammten Irrenanstalt. Wir haben viel zu viel Arbeit und viel zu wenig Leute. Vielleicht sollten Sie mal von Ihrem hohen Ross runterkommen und sich angucken, wie das hier abläuft.«
    »Ja, alles klar«, sagte Mulcahy, der dem Mann kaum noch zuhörte, seit ihm klar geworden war, dass er ihm nicht mehr weiterhelfen konnte. »Trotzdem vielen Dank. Ich guck mal, ob ich da selbst noch was in Erfahrung bringen kann.«
    »Tun Sie das«, antwortete der Sergeant gereizt. »Sie sind wahrscheinlich der Einzige, der Zeit dafür hat.«
    Mulcahy legte auf. Er starrte immer noch die Adresse des Mädchens an. Wie standen die Chancen, dass sie noch da wohnte, wenn sie sich nicht wieder beim örtlichen Revier gemeldet hatte? Einen Versuch war es trotzdem wert – und vermutlich war es auch einfacher, als diesen Branigan aufzutreiben, der sowieso kaum etwas dazu sagen würde, wenn der Fall wirklich irgendwie unbemerkt durch den Rost gefallen war. Mulcahy schrieb sich gerade die Daten des Mädchens auf, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung vor sich sah und den Kopf hob. Brendan Healy stand in der Tür. Wie lange war er da schon?
    »Sir?«, sagte Mulcahy automatisch.
    »Ich dachte schon, Sie legen das Mistding gar nicht mehr aus der Hand«, sagte Healy und deutete aufs Telefon.
    Er sah sich mit kritischem Blick im kleinen Zimmer um und schlug sich mit den Handschuhen, die er in einer Hand hielt, in die Handfläche der anderen, als suchte er einen Platz, wo er sich hinsetzen könnte. Doch dieses Problem könnte er sicher selbst lösen.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Brendan?«
    Healy runzelte die Stirn. »Der Minister ist bei mir gewesen.«
    Mulcahy sah

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