Der Priester
Quelle dieses Lecks.«
»Dann war es also reiner Zufall, dass Sie sich ausgerechnet nach der Einsatzbesprechung für diesen Fall mit Siobhan Fallon getroffen haben? Und sicherlich haben Sie beide nicht ein einziges Mal über das Thema Jesica Salazar oder den Priester gesprochen?«
»Nein, nicht direkt.«
Am einfachsten wäre es gewesen zu lügen, aber das konnte er nicht. Wenn das je herauskam, würde der Schuss nur noch mehr nach hinten losgehen. Und natürlich stürzte Healy sich darauf wie eine verhungernde Katze.
»Und was zum Teufel soll ›nicht direkt‹ jetzt heißen?«
Mulcahy konnte nur noch eine Antwort geben: »Es heißt, dass sie mich gefragt hat, ob ich etwas über die junge Spanierin weiß, die überfallen wurde, und ich es abgelehnt habe, darüber in irgendeiner Art und Weise mit ihr zu sprechen.«
»Herrgott noch mal!«, zischte Healy ihn an. »Das hat sie Sie am Mittwochabend gefragt, und Sie hielten es nicht für nötig, es Claire oder mir gegenüber zur Sprache zu bringen?«
»Nein. Woher hätte ich denn wissen sollen, was Fallon vorhat? Genau wie Sie gestern, dachte ich, sie fischt nur im Trüben. Ich hielt es nicht für relevant.«
Healy stand auf. Er kochte vor Wut, seine Stimme überschlug sich, er hatte sich kaum noch unter Kontrolle.
»Relevant? Ich sag Ihnen, was relevant ist, verdammt noch mal. Irgendjemand hat diesem Miststück in dieser Woche alles haarklein erzählt, was dazu geführt hat, dass mir der Arsch aufgerissen wurde und meine Chancen auf eine Beförderung für wer weiß wie lange zum Teufel sind. Und Sie kriegen es nicht einmal hin, uns vorher zu warnen? Ich kann es nicht glauben, Mike, dass Sie, ausgerechnet Sie , wo ich Sie seit Monaten hier durchschleppe, Ihnen das Leben so leicht wie möglich mache und nur darauf warte, Sie wieder in Ihre ach so geliebte Drogenfahndung zu bugsieren, dass ausgerechnet Sie gestern Abend hier reinspazieren, sehen, wie ich am Ertrinken bin, und dann offenbar einfach keinen Bock darauf haben, mir einen Rettungsring zuzuwerfen.«
Jetzt reichte es. Mulcahy konnte nicht einfach dasitzen und sich das anhören. »Mit Verlaub, Brendan, das ist Quatsch. Ich hab mir gestern fast den ganzen Abend den Kopf über eine intelligente Antwort auf die Vorwürfe der Presse zerbrochen, eine, bei der wir so gut wie irgend möglich dastehen. Und jetzt komme ich hier rein und stelle fest, dass Sie lieber so einer anonymen Dreckschleuder glauben …«
»Blödsinn«, unterbrach Healy ihn wieder mit hochgestrecktem Zeigefinger. »Hier geht’s um Loyalität, Vertrauen und Anstand. Und Ihr Verhalten entspricht ganz gewiss nicht meiner Vorstellung davon. Und es ist auch keine angemessene Reaktion auf die Gefallen, die ich Ihnen getan habe. Also merken Sie es sich, Mike. Was mich betrifft, können Sie sich herzlich ins Knie ficken. Kommen Sie bitte nicht wieder angekrochen und erwarten Sie, dass ich Ihnen noch einmal einen Gefallen tue. Das wird einfach nicht wieder vorkommen.«
Im Endeffekt hatte Healy nicht genug Leute, um Mulcahy ganz aus dem Ermittlungsteam herauszuwerfen. Er rief nachmittags an und teilte Mulcahy mit, dass er die Verantwortung für die Zusammenarbeit mit den Spaniern wieder ans Ministerium zurückgeben werde. Darüber hinaus gab es – außer einem entschieden frostigeren Ton bei ihren täglichen Begegnungen – für Mulcahy keine Veränderungen. Die langen Dienste vergingen in hektischer Plackerei, verschärft durch jede Menge eingestreuter Meetings, Briefings und Ähnliches. Healy mochte sich als Leiter der Ermittlung sehen, als seine wichtigste irdische Repräsentantin war Brogan jedoch weiterhin noch für die meisten Entscheidungen zuständig. Zur allgemeinen Erleichterung erwiesen sich Gerüchte, dass sie durch eine große Nummer ersetzt werden sollte, als unwahr, weil Healys Rückzugsgefechte, die er im Großen und Ganzen aus reinem Selbsterhaltungstrieb führte, sich als sehr viel effektiver erwiesen, als die meisten angenommen hatten.
Obwohl sich also der Druck auf alle um ein Vielfaches erhöhte, war der augenfälligste Effekt ein stetiger Zufluss weiterer Mitarbeiter und Gelder. Die Leute ganz unten hatten den Eindruck, dass der Sturm langsam weiterzog und eine andere, höhere Ebene erreichte, wo zwischen der Presse und den Politikern ein Krieg der Worte tobte. Unten machte sich eine Art Bunkermentalität breit, was dazu führte, dass die Leute die Zähne zusammenbissen, die Schultern hochzogen und die Mitglieder des Teams
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