Der Prinz der Hölle
Omeron!«
»Ihr lügt!«
»Wir sind Widerstandskämpfer, Alter. Beruhigt Euch. Omeron ist bei uns. Kommt und seht selbst!«
»Ihr lügt! Ihr lügt!«
Aber der Mann hatte inzwischen die Tür geöffnet – und Omeron, Sonja und der Rest traten ein. Glücklich umarmte Benfu seinen Fürsten und weinte vor Freude, dass dieser noch lebte.
Während die anderen im Keller eine wohlverdiente Mahlzeit zu sich nahmen, saßen Omeron und Sonja oben an einem Tisch in der dunklen Gaststube. Sie blickten durch ein halboffenes Fenster, doch hier am Stadtrand gab es wenige Streifen, ja kaum Schritte waren zu hören, und wenn, dann die von alten Frauen oder verängstigten jungen Mädchen, die in den Abfällen nach etwas Essbarem suchten.
Sonja und Omeron aßen Brot und Käse, während sie in die Stille und Dunkelheit lauschten, bis zwei von den anderen sie hier oben ablösen und ihrerseits Wache halfen würden. Erst dann konnten sie sich ein bisschen schwerverdiente Ruhe gönnen.
Hin und wieder wechselten sie ein paar leise Worte miteinander.
»Und Eure Gattin?« fragte Sonja und griff damit einen Gesprächsfaden auf, den Omeron abrupt hatte fallen lassen.
»Ich hasse sie. Ich kann nicht dagegen an, Sonja. Bei den Göttern, ich vertraute ihr, und dieses Vertrauen hat sie auf so gemeine Weise missbraucht! Sie ist ein verzogenes Kind, das nach größeren Zielen strebt, als das Leben gewähren kann, und verachtet das Erreichte und Erreichbare. Sie konnte sich nie damit abfinden, eine gewöhnliche Sterbliche zu sein. Und nun ist sie zur Zauberin und Verräterin geworden. Ich nehme an, es hängt mit ihrer Vergangenheit zusammen.«
»Jeder muss lernen, auf seine Weise zu überleben, Omeron.«
»Das stimmt, ist jedoch keine Entschuldigung für sie. Trotz allem darf man die Gesetze der Götter nicht außer acht lassen.«
»Nein, es entschuldigt sie nicht. Aber ich habe mir oft Gedanken über die Götter und ihre Werte gemacht.«
Omeron blickte Sonja scharf an. »Aber gewiss glaubt Ihr doch an das Gute in Euch?«
»Ja..., Natürlich.«
»Ihr dankt, wenn man Euch zu helfen versucht, und wollt, wenn Ihr Euch in jemandes Schuld glaubt, diese vermeintliche Schuld begleichen, so wie Ihr möchtet, dass andere es Euch gegenüber täten. Habe ich recht?«
»Ja.«
»Ihr glaubt an Mächte, die größer als der Mensch sind, und an ihre Gesetze?«
»Ja.« Es wurde Sonja innerlich ein wenig kalt, als sie an jene überirdischen Mächte dachte, denen sie ein fruchtloses, unerfülltes Leben verdankte.
»Ihr seid der Meinung, dass der Mensch sich für Gerechtigkeit und Ehrlichkeit einsetzen soll und kann, und dass er weiter danach streben soll, selbst, wenn er so manches Mal zu versagen scheint?«
Sonja nickte.
»Und dass es Liebe gibt?«
»Ja, das weiß ich.«
»Und dass – soweit wir als Sterbliche das zu erkennen vermögen – es Geschöpfe und Dinge gibt, die gut sind, und andere, die böse sind?«
»Auch das, Omeron. Aber worauf wollt Ihr hinaus?«
»Es gibt Werte. Ob man nun Soldat oder Hure, König oder Schuhmacher ist, all diese Werte werden von jenen geschätzt, die stolz sind, Menschen zu sein, die gern Menschen sind und die den Fortgang des Lebenskampfes wert erachten. Jeder, der nichts von diesen Werten hält, ist im selben Maß, in dem er sie verleugnet, weniger Mensch und wird jede Gelegenheit nutzen, sich noch mehr vom Menschsein zu entfernen. So ist es mit Yarise. In dieser Flucht vor sich selbst mag sie vielleicht sogar große Macht erlangen. Doch wie und wo sie sich auch verstecken mag, der strafenden Gerechtigkeit wird sie nicht entgehen. Je größer die Prahlerei, desto größer der Zweifel des Prahlers; je stärker die Rüstung, desto schwächer der Mann in ihr; je lauter die Stimme, desto unsicherer die Überzeugung. Und so weiter. Ihr wisst das alles selbst, Sonja, denn sonst wärt Ihr nicht, was Ihr seid. Früher oder später offenbart sich das Wesen eines Menschen, sei es durch ein Wort, eine Geste, beim Brotbacken, beim Lieben oder beim Kampf ums Leben.«
Sonja hörte ihm stumm zu. Ihr war klar geworden, dass Omerons Philosophie in der tiefen Wunde wurzelte, die Yarise ihm geschlagen hatte. Am liebsten hätte sie die Hand über den Tisch nach der seinen ausgestreckt, nicht aus Liebe, sondern in tiefem Mitgefühl, aus dem Verständnis heraus, das zwei Außenstehende verband, zwei Kämpfer gegen das gleichgültige Geschick, das so ungerecht in seiner Verteilung von Waffen und Schutz war.
»Wir benutzen
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