Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
leicht zu ersetzen, Hauptmann. Man findet sie nur auf den Feuerfrostinseln, hoch im Norden. Kennt Ihr sie? Nur drei Monate im Jahr ist der Seeweg überhaupt eisfrei und sicher, und erreicht man diese Eilande, ist man keinesfalls willkommen. Der Inhalt dieser Schatullen hat uns ein Vermögen gekostet, und nicht jeder in der Bruderschaft ist der Meinung, dass sich die Anschaffung lohnte. Die Bereitschaft, ein zweites Mal eine so gewaltige Summe zu entrichten, ist entsprechend gering, wie Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt. «
» Das kann ich nicht beurteilen, ehrwürdige Mischitu. «
» Natürlich nicht, Hauptmann. Doch stellt Euch vor: Man hat uns die Schatullen zum Kauf angeboten. «
» Jetzt – nach einem Jahr? «
» Ja, wir sind auch erstaunt. «
» Wer überbrachte die Nachricht? «
» Ein blinder Bettler. Raffiniert, nicht wahr? Selbst unter Folter könnte er seine Auftraggeber nicht verraten. «
Lizet nickte anerkennend. » Was werdet Ihr tun? «
» Wir werden das Angebot annehmen. Sie verlangen nur tausend Kronen pro Schatulle, was beweist, dass die Diebe keine Ahnung vom wahren Wert des Inhalts haben. Ihr werdet das Geld übergeben und die Schatullen entgegennehmen, Hauptmann. «
» Darf ich fragen, warum Eure Wahl auf mich gefallen ist? « , wollte Lizet wissen, dem es nicht gefiel, nicht gefragt zu werden.
» Ihr geltet als unbestechlich und ehrlich, Lizet, weshalb ich Euch diese Werte anvertrauen werde. Außerdem seid Ihr besonnen genug, um die Übergabe nicht zu gefährden. Ihr werdet nicht versuchen, die Verkäufer zu verhaften, oder andere unsinnige Heldentaten begehen. Gleichwohl seid Ihr klug genug, um dann, wenn wir diese Dinge wieder in unserem Besitz haben, den Dieben auf die Spur zu kommen. Ich finde, das sind genug Gründe. «
Lizet nickte. Die Sache gefiel ihm trotzdem nicht. Wenn er dabei einen Fehler beging, war es womöglich sein letzter, zumindest in Xelidor. Es war nicht klug, die Bruderschaft der Scholaren zu enttäuschen. Er erhob sich. » Darf ich davon ausgehen, dass das alles war, ehrwürdige Mischitu? «
» Beschafft uns die Schatullen, dann sehen wir weiter. «
Zwei Tage später fand sich Hauptmann Lizet in der von den Dieben bestimmten Gasse im Altkaiserviertel ein. Er fand diese Ortswahl eigenartig, denn es war eine Sackgasse, die an der Alten Mauer endete, die den Tempelberg und seine Paläste von der Stahlseite trennte. Wenn die Diebe ihn hier treffen wollten, gab es nur diese Gasse als Fluchtweg.
Es war auch noch ein Tempeltag, so dass auf den Straßen nicht viel los war. Sie konnten also auch nicht in der Menge untertauchen. Er kam zu dem Schluss, dass sie vielleicht irgendwo in der Nähe einen Zugang zu den alten Stollen unter der Stadt haben mussten. Aber er war vorbereitet. Er hatte der Ghula zwar versprochen, nichts Unüberlegtes zu tun, aber er hatte nicht gesagt, dass er gar nichts versuchen würde. Also hatte er ein paar Wachen in Zivil in den umliegenden Straßen verteilt. Er hatte dafür vor allem Leute gewählt, die sich in den alten Tunneln auskannten, für den Fall der Fälle.
Er war sehr gespannt, wer die Schatullen bringen würde. Die Münzen, genau zweihundertfünfzig an der Zahl, drückten auf seine Hüfte. Er hatte darauf bestanden, die Summe in Zwölfkronenstücken zu übergeben, weil er darauf baute, dass es auffallen würde, wenn diese Münzen irgendwo gehäuft auftauchten. Aber vermutlich würden sie die Kerle schon heute schnappen. Das Netz war ausgelegt, aber er durfte es erst zusammenziehen, wenn er die Schatullen hatte. Er fragte sich immer noch, ob die Bande, die die Schatullen gestohlen hatte, dieselbe war, die all die anderen Schandtaten begangen hatte.
Wenn es so war und wenn der schon zweimal gestorbene Viltor Merson noch lebte und wenn er zu dieser Bande gehörte, dann würde er vielleicht heute den Mörder seines Freundes fassen. Er hatte wirklich geglaubt, der junge Mann sei in der Schmiede verbrannt, denn ein Jahr lang hatte es kein Anzeichen dafür gegeben, dass er noch lebte. Aber die beiden jüngsten Morde bewiesen vielleicht das Gegenteil. Und dass diese ominösen Schatullen gerade jetzt wieder auftauchten, konnte doch kein Zufall sein.
Lizet ging vor der Mauer auf und ab. Ihm war klar, dass ihn die Nachbarn, wenn sie denn nicht in einem der Tempel waren, durch die Fenster beobachteten. In seiner Uniform fiel er in dieser menschenleeren Sackgasse auf wie ein bunter Hund.
Ein Pfiff ertönte. Als Lizet sich umdrehte,
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