Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
wir verstecken sie trotzdem « , gab sich Vil unnachgiebig. Er musste plötzlich herzhaft gähnen. Es machte erstaunlich müde, so zu tun, als sei man ein ehrlicher Ladenbesitzer, selbst an Tempeltagen.
Tiuri war offensichtlich noch munter: » Und was machen wir jetzt mit den Preisen? « , fragte sie.
Seine Schwester hatte ihn überhaupt erst überredet, eine Bestandsaufnahme ihres Lagers zu machen. Er hatte, nachdem er mit Peker den Austausch auf der Mauer durchgezogen hatte und berauscht von Gefahr und Glück nach Hause gekommen war, von ihr gleich eine neue und ziemlich ernüchternde Aufgabe bekommen: Säcke und Kisten zählen. Mürrisch hatte er gefragt, wozu das gut sein sollte, schließlich müssten sie sich ums Geld vorerst keine Sorgen machen.
» Aber wir müssen wissen, was durch unser Lager läuft. Wir müssen auch aufschreiben, wie viel es gekostet hat und für wie viel wir es verkauft haben. «
Und Vil hatte sehr ernsthaft genickt und versucht, ihr zu verschweigen, dass sie für das meiste im Lagerraum gar nichts bezahlt hatten. Aber als sie wissen wollte, wie viel er für den Reis ausgegeben habe, hatte er den erstbesten Preis genannt, der ihm einfiel, und sie hatte herzhaft gelacht.
Vil gähnte jetzt noch einmal, dann sagte er: » Schön, Tiuri, ich habe eingesehen, dass du davon mehr verstehst als ich. Deshalb übertrage ich dir die ehrenvolle Aufgabe, hier Buch zu führen. «
» Du willst dich doch nur vor der Arbeit drücken! « , rief sie in gespielter Empörung, aber sie strahlte regelrecht vor Glück.
Vil verbarg ein Lächeln. Er hatte seine Schwester lange nicht mehr so zufrieden gesehen. Und wenn sie dazu Kaufmann spielen musste, sollte sie es ruhig tun.
» Ich finde immer noch, dass ein Laden so gar nicht zu dir passt, Vil « , sagte Skari, die plötzlich in der Tür zum Laden stand.
» Skari! Wie bist du …? «
Sie rasselte leise mit ihren Dietrichen. » Ihr braucht ein besseres Schloss. In dieser Stadt soll es Diebe geben. «
Vil ließ die beiden rätselhaften Steine unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden.
» Komm rein, setz dich. Gabba, hol ihr doch einen Becher. «
» Eigentlich muss ich dich unter vier Augen sprechen « , sagte Skari. » Gehen wir ein Stück? «
Vil bekam eine Gänsehaut, aber er nickte, gab sich locker und sagte: » Dann lass uns ein Stück gehen. «
» Es ist schön, dich zu sehen « , sagte er, als sie durch die dunklen Gassen schlenderten. Er dachte darüber nach, ob er ihre Hand nehmen sollte. Sie würden kaum auffallen, Hand in Hand, wie ein frisch verliebtes Paar. Nein, sie würden auffallen. Skaris schneeweißes Haar war selbst im Dunkeln schwer zu übersehen.
» Du bist ein vielbeschäftigter Mann « , begann sie.
» Stimmt « , erwiderte er und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken.
» Du führst zwei Leben « , fuhr sie fort.
» Schon möglich. « Er verstand nicht, was sie meinte. Er konnte ja schlecht herumlaufen und jedem erzählen, dass er ein Dieb war.
» Vielleicht auch bald drei « , sagte sie. Sie sprach langsam, als suchte sie die richtigen Worte.
» Hast du etwas gesehen? « , fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. » Nichts, was dich betrifft. Aber ich bin trotzdem deinetwegen hier. Das heißt, eigentlich schickt mich Nekor. «
» Wer? «
» Ein anderer Gesegneter, er ist sogar so etwas wie unser Anführer. «
» Kann er auch in die Zukunft sehen so wie du? «
» Nein, aber er spricht mit den Toten. Er sagt, ihr wäret euch schon einmal begegnet, unten in der Nekropole. «
Vil erinnerte sich, aber er erinnerte sich ungern. Er hatte Skari gesucht, damals nach ihrer ersten Nacht. Aber sie war fort gewesen, und er war diesem blinden Gesegneten in die Arme gelaufen und entsetzt geflohen.
Er blickte auf zu den Sternen, aber eine Wolkendecke ließ ihn nur sehr vereinzelt ein fernes Blinken erahnen. Schlechtes Zeichen, dachte er, aber das hätte er wohl auch in einer sternklaren Nacht gedacht.
» Was will dieser Mann von mir? « , fragte er, weil Skari nicht weitersprach.
» Er will sich mit dir unterhalten. Und ich soll dich grüßen. «
» Grüßen? Von wem? «
Skari seufzte. » Von deiner Mutter, Vil. «
Vil starrte sie einen Augenblick lang entsetzt an. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, dann brach es aus ihm heraus: » Was soll der Unsinn, Skari? Musst du das Andenken meiner Mutter beschmutzen? «
Skari zuckte zurück. » Aber, Vil … «
» Meine Mutter hat ihren Frieden gefunden. Warum sollte sie
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