Der Prinz mit den sanften Haenden
geweht.
Er schaute auf. „Alle Welt weiß von diesem Brief, den ich an meine Onkel geschrieben habe."
Saifuddin ar Ratib beobachtete ihn aufmerksam. „Sehen Sie, dass es der Originalbrief ist?"
Jalal strich mit dem Finger über das Papier und spürte die raue Oberfläche. „Wie sind Sie an den Brief gekommen?"
Sein Gegenüber wehrte lächelnd ab und ermunterte Jalal weiterzublättern.
Jalal sah sich das nächste Dokument an. „Von Jalal ibn Aziz ibn Daud an seine Onkel, die Prinzen: Ich bin erstaunt, eine Antwort auf meinen Brief erhalten zu haben ..." Überrascht stellte er fest, dass er seine Herkunft erneut sehr deutlich angegeben hatte. Wieso hatten sie, nachdem sie diesen Brief gelesen hatten, immer noch so getan, als hätten sie nichts von seiner Existenz gewusst? Er sah sich die Briefe von beiden Seiten an. „Es ist kein Palaststempel darauf", murmelte er und runzelte die Stirn.
Und dann wurde es Jalal blitzartig klar. Er begegnete Saifuddin ar Ratibs prüfendem Blick und bemühte sich, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Er durfte dem Mann nicht zeigen, was in ihm vorging.
„Meine Onkel haben diese Briefe nie erhalten", bemerkte er bedächtig.
Saifuddin ar Ratib neigte anerkennend den Kopf.
„Deshalb wussten sie auch nicht, wer ich war. Wie konnte das passieren?" fragte er und bemühte sich, nach außen hin ruhig zu bleiben. „Meine Briefe wurden abgefangen, damit mein Geburtsrecht unerwähnt blieb. Stattdessen erhielten sie einen Brief, in dem ich Jalal, der Enkel von Selim, genannt werde, der Land fordert, nur weil sein Großvater als Bandit sich Land angeeignet hatte ..." Jalal verstummte und dachte an die Monate, als er sich von seiner Familie verachtet gefühlt hatte.
„Ja, so wurden Sie den Prinzen vorgestellt."
Jalal blickte erneut in die Akte. Es lagen noch mehr Dokumente darin. Die Kopie einer Beurteilung seines Kommandeurs aus der militärischen Ausbildung. Oben im Briefkopf war der Name des Empfängers schwarz durchgestrichen. Doch aus dem Text war ersichtlich, dass er an jemanden mit entsprechender Position im Palast gerichtet war. Seine, Jalals, Fähigkeiten und Fortschritte waren ausführlich beschrieben. Und eine weitere Reihe ähnlicher Briefe folgten bis hin zu Briefen von seinen Lehrern in der Schule. Es war alles da.
Das Einzige, was fehlte, waren die Briefe, die er nach Zaras Entführung geschrieben hatte.
„Sie haben nichts gewusst", bemerkte Jalal betroffen. „Mein Großvater König Daud hat nie von meiner Existenz erfahren. Meine Großmutter auch nicht. Niemand."
Wieder neigte sein Gegenüber zustimmend den Kopf. „Genau so ist es", bestätigte er.
„Meine Mutter hat nie erfahren, mit wem sie gesprochen hatte. Und wir sind auch nicht auf Veranlassung des Königs in die Stadt gezogen, damit ich eine entsprechende Erziehung bekommen konnte. Das hat alles dieser Mann veranlasst."
„Darf ich Ihnen sagen, ich bewundere Ihre schnelle Auffassungsgabe", bemerkte Saifuddin ar Ratib.
Jalal warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Was steckte dahinter? Rache? Oder Verachtung wegen meiner illegale n Abstammung?"
Saifuddin ar Ratib lächelte. „Nein. Er ist ein Mann von großer Geduld und weit reichendem Einfluss.
Als Ihre Mutter in den Palast kam und ihre Geschichte erzählte, hat er gleich das Potential erkannt, das in Ihrer Herkunft liegt. Die Zukunft, die er für Sie vorhergesehen hat, erforderte eine sorgfältige Vorbereitung und Ausbildung."
„Eine Vorbereitung zum Ausgestoßenen", murmelte Jalal. „Ein Mann ohne Wurzeln. Er hat mich aus der Wüste geholt, und die ganzen Jahre hat meine Mutter davon geredet, dass eine andere Zukunft auf mich wartet, nur dass die nie gekommen ist. Er hat damit gerechnet, dass meine Mutter irgendwann ihr Schweigen brechen würde. Es spielte keine Rolle, wann sie das tun würde. Und als ich mich meinen Onkel vorstellte, hat er dafür gesorgt, dass sie nichts erfuhren und mich damit zum Rebellen ge macht.
So war ich leichter manipulierbar."
Saifuddin nickte. „Sie haben ihn jedoch überrascht. Es soll Ihnen ein Trost sein, dass er nicht mit Ihrer Rückkehr in die Wüste gerechnet hatte. Auch nicht damit, dass Sie erfolgreich eine Geisel nehmen und Ihre Onkel zwingen, Sie anzuerkennen."
Jalal lächelte. „Das ist für mich weder Trost, noch bringt es mich aus der Fassung", versetzte er verächtlich. „Und diesen Narren ...", er klopfte auf die Akte und warf sie auf den Tisch, „... der sein Leben mit diesem Unsinn
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