Der Prinz und das Maedchen von nebenan
begrüßen, für einige Zeit von hier fort zu kommen.“
Diesen Aspekt hatte Caro noch gar nicht bedacht. Sie hatte ihr Augenmerk ausschließlich darauf gerichtet, wie es wäre, zwei Monate in Philippes Gesellschaft zu verbringen.
„Ellerby ist eine winzige Stadt, und die Wahrscheinlichkeit, zufällig auf George zu stoßen, so wie eben, ist groß.“
Heute hatte sie das Zusammentreffen jedoch nicht als so schlimm empfunden wie bisher. Zwar war auch diesmal eine Mischung aus Trauer, Wut und einem Gefühl der Demütigung in ihr aufgestiegen, als sie das glückliche Pärchen sah, doch dann hatte Philippe sie an sich gezogen, und sie war nicht mehr allein gewesen. George hatte völlig perplex dreingesehen. Bestimmt glaubte er, sie hätte einen neuen Freund.
Während Philippe die Speisekarte studierte, nutzte Caro die Gelegenheit, ihn ihrerseits ausgiebig zu betrachten. Sie ließ den Blick von der edel geschwungenen Nase zu seinen Lippen schweifen. Er sah umwerfend aus, und ihr wurde ganz seltsam zumute. Zudem hatte er nicht einen Moment gezögert, ihr zu Hilfe zu kommen.
„Danke für eben.“
„Eben?“
„Du weißt schon, als du so getan hast, als wären wir ein Paar.“ Im Bruchteil einer Sekunde hatte er erkannt, was los war, und sofort gehandelt. „Die beiden haben mich bemitleidet, weil ich einsam und traurig war. Dafür halten sie mich jetzt bestimmt nicht mehr!“
3. KAPITEL
„Liebst du ihn noch immer?“ Da er kein Recht hatte, diese Frage zu stellen, fügte Philippe rasch hinzu: „Vermutlich würde es dir schwerfallen, meine Freundin zu spielen, wenn es so wäre.“
„N…ein“, antwortete Caro zögernd, dann wiederholte sie mit Nachdruck: „Nein. Aber es hat mir fast das Herz gebrochen, als George sich von mir getrennt hat. Anfangs habe ich mir nichts mehr gewünscht, als wieder mit ihm zusammenzukommen. Inzwischen glaube ich, dass mir das Bild, das ich mir von ihm gemacht habe, besser gefiel als die Wirklichkeit.
Ich weiß, er sieht nicht besonders gut aus. Dennoch hat er mir unendlich viel bedeutet, denn er hat zu mir gehört“, erklärte sie, als Philippe skeptisch zu George hinüberblickte. „Weißt du, ich habe noch nie irgendwo wirklich dazugehört. Mein Vater musste als Ingenieur von Projekt zu Projekt ziehen, meist in Übersee, meine Mutter und ich folgten ihm. Als er erkrankte, zogen wir nach St. Wulfrida.“
„Lottys Schule?“
„Ja, dort haben wir uns kennengelernt. Meine Mutter unterrichtete, mein Vater übernahm den Hausmeisterposten, und ich durfte kostenlos am Unterricht teilnehmen. Natürlich haben mich die anderen Mädchen nie als ihresgleichen akzeptiert, ich war ihnen nicht vornehm genug. Lotty war meine einzige Freundin. Ohne sie hätte ich die Schulzeit nie überstanden.“
„Dasselbe hat sie über dich gesagt.“
Caro lächelte. „Wir haben uns gegenseitig geholfen. Als wir die Schule endlich verlassen durften, waren wir überglücklich. Lotty hat sich anschließend auf einem Pensionat den letzten Schliff verpassen lassen, ich habe auf dem örtlichen College meinen Abschluss gemacht, wo ich als Absolventin von St. Wulfrida wieder eine Außenseiterin war!“
„Was ist so wichtig daran, irgendwo dazuzugehören? Du bist frei und kannst gehen, wohin du willst. Das ist etwas, worum dich viele beneiden.“
„Ich sehe das anders. Mein Dad starb, als ich fünfzehn war, meine Mutter fünf Jahre später. Ich habe keine Familie mehr und suche nach einem Zuhause. Als ich nach Ellerby kam und George traf, glaubte ich, meinen Platz gefunden zu haben. Er entstammt einer alteingesessenen Familie, ist Anwalt in der dritten Generation und tief in der Stadt verwurzelt. Tatsächlich sitzt er sogar im Vorstand des Golfclubs.“
Als Philippe die Stirn runzelte, fuhr sie rasch fort: „Ich weiß, das klingt nicht aufregend, doch an seiner Seite fühlte ich mich geborgen und als Teil der Gemeinde. Das ist es, was ich am meisten vermisse.“
In diesem Moment brachte der Weinkellner den Champagner, präsentierte Philippe das Etikett, öffnete die Flasche, ließ ihn kosten und füllte endlich die Gläser.
Währenddessen konzentrierte Caro sich auf die Speisekarte. Inzwischen war es ihr peinlich, so viel von sich preisgegeben zu haben. Gleichzeitig staunte sie, was für einen guten Gesprächspartner Philippe abgab. Sich ihm zu öffnen fiel ihr leicht, weil er ihr ganz offensichtlich kein persönliches Interesse entgegenbrachte, zudem war ihr bewusst, wie hoch er über ihr stand.
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