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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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von den Mauern und ihre Gebetsläufer vom Boden. Alles, was den Makel des Fanimismus trug, wurde zu gewaltigen Scheiterhaufen aufgeschichtet. Manchmal fanden sie unter den Gebetsteppichen atemberaubende Mosaiken der Inrithi, die einige der Tempel einst errichtet hatten, und schonten diese Bauten alsdann. Ansonsten wurden die großen Gotteshäuser der Fanim niedergebrannt. Unter riesigen Rauchsäulen schnüffelten Hunde nach Leichen und leckten Blut von den Eingangsstufen.
    In der alten Stadt Iothiah, die sich in blankem Entsetzen ergeben hatte, retteten sich Hunderte von Kerathoten – Mitglieder einer Sekte der Inrithi also, die Jahrhunderte der Unterdrückung durch die Fanim überlebt hatte –, indem sie die alten Hymnen der Tausend Tempel sangen. Menschen, die eben noch vor Entsetzen gejammert und geklagt hatten, umarmten ihre lange verlorenen Glaubensbrüder. Am selben Abend noch zogen die Kerathoten los, traten Türen ein und ermordeten alte Konkurrenten, skrupellose Steuerpächter und alle anderen, denen sie unter der Herrschaft des Sapatishah etwas missgönnt hatten. Und ihr Neid war gewaltig.
    Im von roten Mauern umgebenen Nagogris begannen die Männer des Stoßzahns sogar, sich gegenseitig abzuschlachten. Gleich nach Eintreffen des Heiligen Kriegs hatten die in der Stadt verbliebenen einheimischen Machthaber Gesandte mit der Offerte zu Ikurei Conphas geschickt, dem Kaiser die Stadt kampflos zu übergeben, wenn er sie dafür unter seinen Schutz stelle. Conphas hatte daraufhin sofort General Numemarius und einen Trupp Kidruhil in Marsch gesetzt. Durch einen unerklärlichen Schnitzer aber wurden die Stadttore einer großen Streitmacht der Thunyeri geöffnet, die unverzüglich begannen, die Stadt zu plündern. Die Kidruhil versuchten einzuschreiten, und es kam zu Straßenkämpfen. Als General Numemarius sich zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Yalgrota Sranchammer traf, schlug der Riese ihm den Schädel ein. Vom Tod ihres Generals aufgescheucht und von der Wildheit ihrer blondbärtigen Gegner zermürbt, zogen sich die Kidruhil aus der Stadt zurück.
    Doch niemand musste furchtbarer leiden als die Priester der Fanim.
    Wenn nachts die Gegenstände des heidnischen Kultus verbrannt wurden, mussten sie zu feuchtfröhlichen Spielen der Inrithi herhalten, bekamen die Bäuche aufgeschlitzt, wurden geblendet, erdrosselt oder gezwungen, bei der Vergewaltigung ihrer Frauen und Töchter zuzusehen. Einigen wurde sogar bei lebendigem Leib die Haut abgezogen. Viele wurden als Hexer verbrannt. Es gab kaum ein Dorf, in dem nicht die verstümmelte Leiche eines Priesters der Fanim oder eines Repräsentanten des Fanimismus an einen Eukalyptusbaum genagelt war.
    Nach zwei Wochen fand der Irrsinn ein jähes Ende. Letztlich war nur ein Bruchteil der Bevölkerung von Shigek ums Leben gekommen, doch niemand konnte länger als eine Stunde unterwegs sein, ohne auf die Spur einer Untat der Inrithi zu treffen. Statt der bescheidenen Boote der Fischer und Händler trieben aufgedunsene Leichen den Sempis hinunter ins Meneanor-Meer.
    Endlich war Shigek gereinigt.
     
     
    Vom Gipfel aus wirkte der Ziggurat weit steiler als von unten. Aber so war es ja meistens.
    Kaum hatte er die letzte der trügerischen Stufen erklommen, wandte Kellhus sich der Aussicht zu. Im Norden und Westen war alles kultiviert. Er sah eingedeichte Felder, Platanen- und Eschenalleen und Dörfer, die aus der Ferne wie zertrümmerte Töpferware aussahen.
    Einige kleinere Ziggurats ragten in der Nähe auf. Das Netzwerk aus Kanälen und Dämmen, das von ihnen ausging, reichte bis an die im Dunst liegenden Steilhänge von Gedea. Nach Süden hin sah Kellhus jenseits des Ziggurat, den Achamian Palpothis genannt hatte, ein paar Sumpfginkowäldchen wie gebeugte Wächter inmitten von Weidendickichten stehen. Dahinter glitzerte der mächtige Sempis im Sonnenlicht. Und im Osten sah er rote Linien durchs Grün schneiden. Dabei handelte es sich um Fußwege und alte Straßen, die durch schattige Wälder und sonnige Felder nach Iothiah führten, das den Horizont mit seinen Mauern und seinem Rauch verdunkelte.
    Shigek. Noch ein altes Land.
    So alt und so riesig, Vater… Hast du das auch so gesehen ?
    Er blickte die Treppe hinunter, die wie ein Damm über den gewaltigen Rücken des Ziggurats lief. Achamian mühte sich noch immer die Stufen hinauf. Er hatte Schweißflecke am Kragen und unter den Achseln seiner weißen Leinentunika.
    »Du hast doch gesagt, die Alten glaubten, ihre

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