Der Prinz von Atrithau
es, was Kellhus von Achamian brauchte.
»Ach, nichts«, sagte der Dûnyain kopfschüttelnd. »Vermutlich fürchten alle Männer, ihre Frauen seien käuflich.«
Der Ordensmann vermied weiterhin seinen Blick, stöhnte und rieb sich das Kreuz. »Für so was bin ich langsam zu alt«, sagte er gutgelaunt, aber mit bangem Unterton. Dann räusperte er sich und meinte: »Wie Esmi jauchzen würde…«
Esmenet. Auch sie musste ihren Part spielen.
Nach den vielen Wochen intensiven Kontakts kannte Kellhus Achamian weit besser als dieser sich selbst. Die zwei, die dem Ordensmann sehr zugetan waren – Xinemus und Esmenet also –, hielten ihn oft für schwach und bemühten sich, seine Schroffheiten zu glätten, taten, als bemerkten sie seine unsicheren Hände und zerbrechlichen Gesichtszüge nicht, und nahmen ihn anderen gegenüber fast väterlich in Schutz. Kellhus aber wusste, dass Drusas Achamian stärker war, als alle – besonders er selbst – vermuteten. Manche Menschen zweifelten einfach so lange an sich und dachten so ausdauernd über sich nach, bis sie nichts mehr hatten, woran sie sich orientieren konnten.
Da war es gut, wenn man sie auf die Probe stellte.
»Sag mal«, fragte Kellhus, »wie viel muss ein Lehrer geben?«
Er wusste, dass Achamian sich schon lange nicht mehr als seinen Lehrer betrachtete, aber eitel genug war, ihm das zu verheimlichen. Stärker noch als die Komplimente selbst schmeichelt ja die Disposition, die den Gesprächspartner dazu bringt, einem Komplimente zu machen.
»Das hängt ganz vom Schüler ab«, erwiderte Achamian und wagte, ihm wieder in die Augen zu schauen.
»Also muss man den Schüler kennen, damit man ihm nicht zu wenig gibt.«
Ich muss dafür sorgen, dass er sich infrage stellt.
»Oder zu viel.«
Es war Achamians Art, die Bedeutung von Gegensätzen und Subtilitäten zu bemerken. Es bereitete ihm große Freude, den Schleier zu lüften und die komplexen Zusammenhänge hinter einfachen Dingen offenzulegen. Was das anbetraf, war er fast einzigartig. Wie Kellhus herausgefunden hatte, verachteten die Menschen komplizierte Dinge so sehr wie sie Schmeicheleien liebten. Die meisten Menschen würden lieber in Verblendung sterben als mit der Ungewissheit leben.
»Zu viel«, wiederholte Kellhus. »Denkst du dabei an Proyas?«
Achamian blickte auf seine in Sandalen steckenden Füße.
»Allerdings.«
»Was hast du ihn gelehrt?«
»Das, was wir als Exoterik bezeichnen, Logik etwa, Geschichte, Arithmetik – alles außer der Esoterik, der Hexerei also.«
»Und das war zu viel?«
Achamian hielt verdutzt inne und war unsicher, worauf Kellhus hinauswollte.
»Nein«, räumte er nach einer Weile ein, »ich glaube nicht. Ich hatte gehofft, ihn Zweifel und Toleranz lehren zu können, aber die Forderungen seines Glaubens waren übermächtig. Vielleicht hätte es geklappt, wenn ich seine Erziehung hätte zu Ende führen dürfen… Aber er ist verloren. Ein weiterer Mann des Stoßzahns.«
Jetzt gib dich ungezwungen.
Kellhus schnaubte lachend auf. »Genau wie ich.«
»Stimmt«, sagte der Ordensmann mit seinem so verschmitzten wie schüchternen Grinsen, das andere – wie Kellhus bemerkt hatte – so liebenswert fanden. »Noch ein blutdürstiger Fanatiker.«
Der Dûnyain lachte wie Xinemus und verstummte dann lächelnd. Eine Zeit lang hatte er Achamians Reaktionen bis zu den feinsten Nuancen des Gesichtsausdrucks vermessen. Obwohl Kellhus Inrau nie begegnet war, kannte er die Eigenheiten des jungen Mannes so genau, dass er Achamian durch einen bloßen Blick oder ein Lächeln dazu bringen konnte, an ihn zu denken.
Paro Inrau. Der Schüler, den Achamian in Sumna verloren, den er im Stich gelassen hatte.
»Es gibt nicht nur eine Art von Fanatismus«, sagte Kellhus.
Die Augen des Hexenmeisters weiteten sich kurz und verengten sich dann in besorgten Gedanken an Inrau und die Ereignisse des vergangenen Jahres, an Dinge also, an die er sich lieber nicht erinnern wollte.
Die Mandati dürfen ihm nicht nur als verhasste Meister erscheinen – sie müssen zu seinen Feinden werden.
»Aber nicht alle Fanatismen sind gleich«, sagte Achamian.
»Hinsichtlich ihrer Grundsätze oder ihrer Ergebnisse?«
Inrau war so ein Ergebnis – wie die unzähligen Tausende, die der Heilige Krieg in den letzten Tagen ermordet hatte. Dein Orden, hatte Kellhus ihm suggeriert, ist auch nicht anders.
»Die Wahrheit unterscheidet sie«, sagte Achamian. »Egal, ob es um den Fanatismus der Inrithi, der Rathgeber oder
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