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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Götter würden auf dem Gipfel dieser Dinger wohnen«, rief Kellhus. »Warum trödelst du dann so?«
    Achamian verschnaufte und warf ihm einen finsteren Blick zu, gab sich dann aber alle Mühe, sich – so sehr er auch keuchte – ein Lächeln abzuzwingen. »Weil die Alten glaubten, ihre Götter würden auf dem Gipfel dieser Dinger wohnen…«
    Kellhus grinste und wandte sich ab, um sich die Trümmer ringsum genauer anzusehen. Vom alten Gotteshaus waren nur noch Mauerreste und verstreute Kapitelle vorhanden. Er inspizierte verwitterte Inschriften und grafische Symbole, die er nicht zu deuten wusste und bei denen es sich wohl um die Hinterlassenschaften von Göttern und die Überreste ihrer irdischen Beschwörungen handelte.
    Glaube. Glaube hatte Menschen dazu gebracht, diese Anlage mit ihren schwarzen Treppenstufen zu errichten. Die Überzeugungen von Leuten, die schon lange tot waren.
    Welcher Aufwand, Vater! Und alles um einer Illusion willen.
    Es schien fast unmöglich. Doch auch der Heilige Krieg war nicht so anders. In mancher Hinsicht war er ein weit größeres, wenn auch kurzlebigeres Bauwerk.
    In den Monaten seit seiner Ankunft in Momemn hatte Kellhus die Fundamente seines eigenen Ziggurat gelegt, indem er sich das Vertrauen der Mächtigen erschmeichelt und den Verdacht erweckt hatte, er sei mehr, viel mehr als der Prinz, der er zu sein vorgab. Mit dem Widerwillen, der einem weisen und bescheidenen Menschen ziemte, hatte er schließlich den Part übernommen, den andere ihm aufgedrängt hatten. Angesichts der komplexen Problematik hatte er anfangs gehofft, vorsichtiger zu Werke gehen zu können, doch die Begegnung mit Sarcellus hatte ihn gezwungen, sein Vorgehen zu beschleunigen und Risiken einzugehen, die er sonst vermieden hätte. Er wusste, dass er sogar in diesem Moment von den Rathgebern genau beobachtet wurde und dass sie über seine wachsende Macht nachdachten. Er musste den Heiligen Krieg an sich reißen, bevor die Rathgeber endgültig die Geduld verloren. Er musste aus den Inrithi, mit denen er nach Shimeh zog, einen Ziggurat machen.
    Du hast die Rathgeber auch gesehen, nicht wahr, Vater? Bist du es, den sie jagen? Sind sie der Grund, warum du mich gerufen hast?
    Als er den Blick über die nähere Umgebung schweifen ließ, sah er einen Mann, der mit seinen Ochsen über einen Damm ging und sie bei jedem dritten, vierten Schritt mit der Gerte antrieb, und Bauern, die mit gebeugtem Rücken in den angrenzenden Hirsefeldern arbeiteten. Eine halbe Meile entfernt ritt eine Schar Inrithi hintereinander durch den reifenden Weizen.
    Jeder von ihnen konnte ein Kundschafter der Rathgeber sein.
    »Gütiger Seja!«, rief Achamian, als er den Gipfel erreichte.
    Was würde der Hexenmeister tun, wenn er von seinem geheimen Konflikt mit den Rathgebern erführe? Kellhus wusste, dass er die Mandati erst einbeziehen durfte, wenn er genug Macht besaß, um mit ihnen von Gleich zu Gleich zu verhandeln.
    Alles hing von der Macht ab.
    »Wie heißt das hier noch mal?«, fragte Kellhus, obwohl er nichts vergaß.
    »Das ist der Ziggurat von Xijoser«, antwortete Achamian und japste noch immer nach Atem. »Eines der größten Bauwerke der Alten Dynastie… Enorm, oder?«
    »Ja…«, sagte Kellhus mit gespielter Begeisterung.
    Ich muss dafür sorgen, dass er sich schämt, dachte er dabei.
    »Dir liegt doch etwas auf der Seele«, meinte Achamian nun und stützte die Hände auf die Knie. Dann wandte er sich ab und spuckte über die Kante des Bergs.
    »Serwë«, meinte Kellhus mit einem Anflug von Zerknirschtheit. »Sag mal, hältst du sie für fähig…« Er verstummte und tat, als würde er nervös schlucken.
    Achamian wandte sich ab und blickte auf die dunstige Landschaft. Zuvor aber hatte Kellhus noch einen flüchtigen Ausdruck des Entsetzens wahrnehmen können. Nun strich der Hexenmeister sich nervös durch den Bart, und sein Puls war beschleunigt.
    »Fähig wozu?«, fragte er mit geheucheltem Desinteresse.
    Kaum jemand, den Kellhus unter seine Kontrolle gebracht hatte, hatte sich als so nützlich erwiesen wie Serwë. Lust und Scham führten stets am schnellsten ins Herz der Menschen. Seit er Serwë zu Achamian geschickt hatte, hatte der Hexenmeister seinen Fehltritt, an den er sich nur dunkel erinnerte, bei zahllosen Gelegenheiten auf subtile Weise wiedergutgemacht. Das alte Sprichwort der Leute aus Conriya traf den Nagel auf den Kopf: Kein Freund ist großzügiger als der, der deine Frau verführt hat.
    Und Großzügigkeit war

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