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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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der Kianene steht vor uns.«
    Cnaiür sah erneut zu den südlichen Hügeln hinüber und begriff plötzlich, dass der Dûnyain Recht hatte. Auf einmal sah er das Schlachtfeld mit den Augen der Kianene. Die schnellen Granden von Shigek und Gedea lenkten die Tydonni und Galeoth immer weiter nach Westen ab. Die meisten Shigeki starben, wie es offenbar vorgesehen war, oder flohen, was jedermann erwartet hatte. Die Festung Anwurat bedrohte die Inrithi im Rücken. Und dann gab es noch die südlichen Hügel…
    »Er führt uns vor«, murmelte Cnaiür. »Skauras führt uns vor.«
    »Es gibt zwei Heere«, sagte Kellhus, ohne zu zögern. »Das eine verteidigt das Terrain, das andere ist verborgen – genau wie auf den Ebenen von Mengedda.«
    Da sah Cnaiür die erste Angriffswelle der Kianene die fernen Südhänge herunter galoppieren. Ihre Staubwolke verdeckte die folgenden Wellen. Selbst auf diese Entfernung sah er einen Ruck durch die meilenlange Schlachtreihe der Fußsoldaten aus Ainon gehen.
    Die Nansur und Thunyeri hatten unterdessen angegriffen und sich fast alle Böschungen hochgekämpft. Die Formationen der Shigeki lösten sich angesichts dieser Attacke auf. Tausende flohen nach Westen und wurden von schlachthungrigen Thunyeri verfolgt. Die Offiziere und Adligen hinter Cnaiür und Kellhus brachen in lauten Jubel aus.
    Diese Dummköpfe.
    Skauras musste die Schlachtlinie seines Gegners gar nicht durchbrechen. Er besaß Schnelligkeit und Geschlossenheit; Vira und Utmurzu also. Die Shigeki waren nur eine List gewesen, ein so monströses wie geniales Opfer, das allein dazu gedient hatte, die Inrithi in der Ebene zu zerstreuen. Allzu überzeugt von sich zu sein – das wusste der gerissene alte Sapatishah –, konnte so tödlich sein wie mangelnde Siegesgewissheit.
    Ein großer Schmerz erfüllte Cnaiürs Brust. Nur das feste Zupacken des Dûnyain ersparte ihm die Demütigung, auf die Knie zu sinken.
    Es ist doch immer dasselbe!
     
     
    Nie war er so mit sich im Unreinen, nie so verwirrt gewesen.
    Mochten die anderen auch gaffen, rufen und gestikulieren: General Martemus beobachtete die ganze Schlacht hindurch den Scylvendi und Prinz Kellhus und bemühte sich, etwas von ihrer Unterhaltung mitzubekommen. Der Barbar trug einen polierten Harnisch, dessen kurze Ärmel die vielfach vernarbten Unterarme sehen ließen, und hatte einen gepanzerten Ledergürtel um Bauch und Taille geschnallt und einen spitzen Helm der Kianene auf dem Kopf, dessen Versilberung an unzähligen Stellen abgerieben war. Das lange schwarze Haar fiel ihm bis auf die Schultern.
    Martemus hätte ihn aus meilenweiter Entfernung erkannt. So sehr Cnaiür ihn im Rat und bei Mengedda auch beeindruckt hatte, so skandalös und nahezu unerträglich empfand er es doch, dass ein Scylvendi den Heiligen Krieg in der Schlacht befehligte. Wie konnte den anderen seine Herkunft so gleichgültig sein? Jede Narbe dieses Mannes sprach doch für seine Ermordung! Martemus hätte sich frohen Herzens geopfert, um jene zu rächen, die der Wilde niedergemetzelt hatte.
    Warum hatte Conphas ihm nur befohlen, nicht den Scylvendi zu ermorden, sondern den Mann, der neben ihm stand?
    Weil er ein Kundschafter der Cishaurim ist, General.
    Aber kein Kundschafter könnte so prophetische Reden führen.
    Das ist seine Hexenkunst! Vergiss nicht …
    Das ist doch keine Hexenkunst – das ist lautere Wahrheit!
    In dieser Fehleinschätzung, General, bekundet sich eben seine Hexenkunst!
    Martemus beobachtete die beiden, ohne auf das Geplapper um sich herum zu achten.
    Egal, wie tödlich sein Auftrag war: Er war ein Soldat und die Schlacht hielt ihn gebannt. Lautes Triumphgeschrei ließ ihn herumfahren, und er sah das gesamte Zentrum der Heiden in sich zusammenfallen. Auf dem einige Meilen langen Abschnitt zwischen Anwurat und den Hügeln im Süden hetzten die Shigeki in wilder Flucht westwärts davon. Die Infanterie der Nansur und der Thunyeri setzte ihnen nach. Martemus jubelte mit den anderen. Einen Moment lang fühlte er nichts als Stolz auf seine Landsleute sowie Erleichterung darüber, dass der Sieg kaum Opfer gefordert hatte. Conphas hatte sich einmal mehr als großer Feldherr erwiesen!
    Dann sah er wieder zu dem Scylvendi hinüber.
    Er war zu lange Soldat, um nicht auch im Bejubeln eines scheinbaren Siegs den Ruch der Katastrophe wahrzunehmen. Etwas war fundamental schiefgelaufen…
    Der Barbar schrie dem Hornisten zu, er solle zum Rückzug blasen. Einen Moment lang konnten die Inrithi rings um

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