Der Prinz von Atrithau
seine Reiterei zurückgezogen – aber warum?
Vom Süden abgesehen, wichen die Fanim an allen Fronten zurück. Was quälte ihn dann so?
Cnaiür warf Kellhus einen Seitenblick zu und sah seine leuchtenden Augen die Ferne so erforschen, wie sie oft Seelen prüften. Eine Windböe wehte dem Dûnyain das Haar durchs Gesicht.
»Ich fürchte«, sagte Kellhus schließlich, »der Augenblick der Entscheidung ist schon vorüber.«
Trotz ihres Keuchens hörte Serwë die Schlachthörner.
»Wie kann das sein?«, schnaufte sie.
Sie lag auf der Seite, ihr Gesicht glühte in den Kissen, in die Kellhus sie gestoßen hatte. Seine Brust wärmte ihren Rücken wie ein Ofen. Wie anders er sich anfühlte!
»Wie kann was sein, meine Serwë?«
»Du fühlst dich so anders an«, keuchte sie.
»Alles nur deinetwillen. Deinetwillen.«
Ihretwillen! Sie presste sich ihm entgegen und genoss seine Andersartigkeit. »Ja…«, entfuhr es ihr.
Er rollte auf den Rücken und zog sie auf sich, strich mit der auratisch schimmernden Linken erst über die elfenbeinfarbene Wölbung ihres Bauchs, dann zwischen ihre Schenkel. Mit der Rechten zog er ihren Kopf ruckartig an den Haaren hoch und drehte ihn, um ihr etwas ins Ohr zu murmeln. Noch nie war er so mit ihr umgesprungen!
»Sprich mit mir, Serwë. Deine Stimme ist so herrlich wie dein Leib.«
»Was soll ich denn sagen?«, fragte sie keuchend.
»Sprich über mich.«
»Ich liebe dich… Und ich bete dich an.«
»Und warum?«
»Weil du der Mensch gewordene Gott und gesandt bist!«
Er bewegte sich nicht mehr, weil er spürte, dass er sie bis an den Rand des Wahnsinns erregt hatte.
Sie schnappte nach Luft und spürte sein Herz gegen ihr Rückgrat und durch sein Glied hämmern wie eine Bogensehne. Mit flatternden Wimpern blickte sie auf die Geometrie der Zeltbahnfalten über sich, die sich in den Tränen ihrer Lust brachen.
Sie umfasste ihn. Er war ganz der ihre! Welch berauschender Gedanke!
Sie stöhnte vor Entzücken.
Gütiger Sejenus…
»Und der Scylvendi?«, flüsterte er verheißungsvoll. »Warum verachtet er mich so?«
»Weil er Angst vor dir hat«, murmelte sie und drückte sich an ihn. »Weil er weiß, dass du ihn bestrafen wirst!«
Nun bewegte er sich wieder, aber ungemein vorsichtig. Sie kreischte, biss die Zähne zusammen und staunte über das Wunder seiner Andersartigkeit. Er roch sogar anders.
Er fasste sie am Nacken… Wie sehr sie das liebte!
»Und warum nennt er mich Dûnyain?«
»Wie meinst du das?«, fragte Cnaiür den Dûnyain. »Nichts ist entschieden – gar nichts!«
Er will mich täuschen, mich vor den Fremden bloßstellen!
Kellhus sah ihn völlig leidenschaftslos an. »Ich habe mich mit dem Standartenbuch der Nansur befasst, das die Feldzeichen der Kianene beschreibt, aber auch Ausführungen zu ihrer Taktik enthält…«
»Genau wie ich!«
Jedenfalls, was die Illustrationen anbelangte, denn Cnaiür konnte nicht lesen.
»Die meisten Standarten sind zu weit weg, als dass man sie erkennen könnte«, fuhr Kellhus fort, »doch ich habe sie fast alle zu erschließen vermocht…«
Alles Lüge! Er hat Angst, ich werde zu mächtig!
»Wie hast du das gemacht?«, schrie Cnaiür geradezu.
»Das Handbuch enthält ein Verzeichnis der Granden eines jeden Sapatishahs – und deren Standarten hab ich einfach durchgezählt.«
Cnaiür fuhr mit der Hand durch die Luft, als wollte er Fliegen verjagen.
»Und wer steht den Ainoni gegenüber?«
»Richtung Meneanor-Meer ist es Imbeyan mit den Granden von Enathpaneah. Swarjuka von Jurisada hält die übrigen Höhen besetzt. Dunjoksha und die Granden des heiligen Amoteu stehen auf den Hängen gegenüber der rechten Flanke der Ainoni und der linken Flanke der Nansur. Die Shigeki halten das Zentrum. Auch wenn Skauras’ Standarte über Anwurat weht, glaube ich, dass seine Granden wie Ansacer und die anderen Überlebenden der Schlacht von Mengedda weiter nördlich kämpfen. Die Reiter jenseits des Dorfs, die gleich über Proyas herfallen dürften, gehören wohl zu Cuäxaji und den Granden von Khemema. Dazu gehören auch noch Hilfstruppen oder irgendwelche Verbündete, vermutlich die Khirgwi. Viele davon reiten Kamele.«
Cnaiür starrte den Dûnyain ungläubig an. »Das ist unmöglich«, stieß er schließlich hervor.
Wo waren Kronprinz Fanayal und die gefürchteten Coyauri? Wo der schreckliche Cinganjehoi und die berühmten zehntausend Granden aus Eumarna?
»Es ist so«, entgegnete Kellhus. »Nur ein Bruchteil
Weitere Kostenlose Bücher