Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
konnten, so war ihnen doch bewusst, welch tödliche Gefahr sie barg. Unter Bewaffneten wie Diebe herumzuschleichen, war heikel genug – sie dagegen waren inmitten der Scharlachspitzen unterwegs!
    Meine Begleiter haben Angst, begriff Xinemus – daher ihr gezwungener Humor und ihre gespielte Tapferkeit.
    Er deutete auf ein Gebäude auf der anderen Seite des Hofs, dessen Erdgeschoss aus Säulen bestand, hinter denen es pechschwarz weiterging.
    »Die verlassenen Ställe da«, meinte er. »Wenn wir Glück haben, kommt man von dort in die Unterkünfte…«
    »… die hoffentlich leer sind«, flüsterte Dinchases und musterte das tiefdunkle architektonische Durcheinander.
    »So sehen sie jedenfalls aus.«
     
     
    Ich rette dich, Achamian. Ich mache ungeschehen, was ich getan habe.
    Die Scharlachspitzen hatten einen großen, halb befestigten Komplex bezogen, der noch aus ceneischer Zeit stammen mochte und damals womöglich das Wehrpalais eines Gouverneurs war. Xinemus und seine Begleiter hatten die Anlage zwei Wochen lang beobachtet und abgewartet, bis die vielen Bewaffneten mit ihrem Tross und die von Sklaven getragenen Sänften, in denen die Scharlachspitzen saßen, aus dem engen Tor kamen und durch Iothiahs labyrinthische Straßen zogen, um sich dem Marsch durch Khemema anzuschließen. Xinemus hatte keine genaue Vorstellung davon, wie viele Männer die Scharlachspitzen dabeihatten, ging aber davon aus, dass es mehrere Tausend waren. Also musste die Anlage riesig sein und aus einem Wirrwarr an Massenunterkünften, Küchen, Lagerräumen, Wohnungen und Büros bestehen. Dann aber dürfte es den wenigen Zurückgebliebenen schwerfallen, sich gegen Eindringlinge zu verteidigen.
    Und das war gut – falls Achamian wirklich hier gefangen gehalten wurde.
    Die Scharlachspitzen hatten nicht gewagt, ihn mitzunehmen – dessen war sich Xinemus sicher. Einen Hexenmeister der Mandati verhörte man nicht unterwegs, erst recht nicht, wenn man mit einem Prinzen wie Proyas unterwegs war. Und dass die Scharlachspitzen in Iothiah einige ihrer Leute zurückgelassen hatten, bedeutete, dass der Orden hier noch etwas zu erledigen hatte. Xinemus hatte darauf gesetzt, dass es sich dabei um Achamian handelte.
    Wenn er nicht hier war, war er sehr wahrscheinlich tot.
    Er ist hier! Ich spüre es!
    Als die drei Männer in die Ställe traten, umklammerte Xinemus das Chorum an seinem Hals, als wäre es heiliger als der kleine goldene Stoßzahn, der gleich daneben hing. Die Tränen Gottes. Ihre einzige Hoffnung gegen Hexenmeister. Xinemus hatte von seinem Vater drei Chorae geerbt und diese Aufgabe daher nur mit Dinchases und Zenkappa in Angriff genommen. Drei Chorae für drei Männer, die sich in die Höhle des Löwen wagten. Xinemus betete, dass sie sie nicht bräuchten. Hexenmeister mochten große Sünder sein, doch sie waren auch nur Menschen, und Menschen brauchen Schlaf.
    »Haltet das Chorum in der bloßen Faust«, befahl Xinemus. »Es muss die Haut berühren, um Schutz zu bieten – vergesst das nicht. Was ihr auch tut: Lasst es auf keinen Fall los. Dieser Ort ist mit Sicherheit durch Abwehrformeln geschützt, und wenn das Chorum auch nur ganz kurz die Haut verlässt, ist es um uns geschehen.« Er riss sein Chorum vom Hals und spürte das beruhigend kalte Eisen und den Abdruck der Runen auf seiner Handfläche.
    Die Boxen waren nicht ausgemistet worden, und es roch nach trockenem Pferdemist und Stroh. Nachdem sie etwas herumgeirrt waren, fanden sie einen Durchgang zu den verlassenen Unterkünften.
    Nun begann ihre alptraumhafte Reise durch das Labyrinth. Der Gebäudekomplex war so riesig, wie Xinemus gehofft und zugleich befürchtet hatte. So erleichtert er über die endlose Abfolge leerer Räume und Korridore war, so sehr zweifelte er daran, Achamian je zu finden. Ein-, zweimal hörten sie ferne Stimmen Ainonisch reden und kauerten sich dann sofort in pechschwarze Winkel oder hinter exotische Möbel der Kianene. Sie kamen durch staubige Wandelgänge, in die der Mond gerade genug Licht warf, um sie über die gewaltigen geometrischen Fresken an der gewölbten Decke staunen zu lassen, schlichen durch Spülecken und Küchen und hörten Sklaven in der feuchten Dunkelheit schnarchen. Sie schoben sich Treppen hinauf und von Wohnstuben gesäumte Flure entlang. Jede Tür, die sie öffneten, schien über einem Abgrund zu hängen: Würden sie dahinter auf Achamian oder auf den Tod treffen?
    Überall glaubten sie die Geister der Scharlachspitzen zu sehen,

Weitere Kostenlose Bücher