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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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deren Magier obskure Versammlungen abhielten, Dämonen beschworen oder in gotteslästerlichen Wälzern blätterten – und zwar genau in den Räumen, an denen sie gerade vorbeikamen.
    Wo hielten sie ihn gefangen?
    Nach einiger Zeit stellte sich bei Xinemus Verwegenheit ein. Ob Diebe oder Ratten so empfanden, wenn sie gefährlich nah an dem herumschlichen, was andere sehen konnten? Er spürte ein Hochgefühl und seltsamerweise auch Trost darin, unsichtbar im Knochenmark des Gegners herumzuschleichen. Xinemus wurde von einer plötzlichen Gewissheit gepackt.
    Wir werden es schaffen! Wir retten ihn!
    »Wir sollten in den Kellern nachsehen«, raunte Dinchases. Schweiß glänzte auf seinem fahlen Gesicht, und sein ergrauter, rechteckig geschnittener Bart war verfilzt. »Sie haben ihn bestimmt irgendwo hingebracht, wo kein Besucher seine Schreie hören kann.«
    Xinemus verzog das Gesicht, weil der alte Haushofmeister so laut geredet, obendrein aber Recht hatte: Achamian war lange gefoltert worden – ein unerträglicher Gedanke.
    Sie kehrten zu dem steinernen Treppenhaus zurück, an dem sie vorbeigekommen waren, und stiegen in ein pechschwarzes Dunkel hinunter.
    »Wir brauchen Licht!«, keuchte Zenkappa. »Hier sieht man ja keine Hand vor Augen.«
    Sie stolperten blind in einen mit Teppichen ausgelegten Flur und kamen sich dabei so nahe, dass jeder den Angstschweiß der anderen riechen konnte. Xinemus war am Verzweifeln. Das war doch hoffnungslos!
    Dann sahen sie ein Licht, das einen kleinen Abschnitt des Korridors beleuchtete. Einen Abschnitt, der wanderte.
    Der Flur, in dem sie sich befanden, war eng, hatte – wie sie nun feststellten – eine niedrige, abgerundete Decke und war so lang, als zöge er sich durch den ganzen Gebäudekomplex.
    Ein Hexenmeister ging den Korridor entlang.
    Er war dünn, aber in wallende, scharlachfarbene Seide mit langen Ärmeln gekleidet, die mit goldenen Reihern bestickt war. Sein Gesicht war am deutlichsten zu sehen, weil es in seltsames Licht getaucht war. Die gefurchten Wangen verloren sich in den geschniegelten Locken eines aufwendig geflochtenen Barts, und die vorspringenden Augen schienen des langweiligen Wanderns von Ort zu Ort müde – all dies war im tränengroßen Schein einer Flamme zu sehen, die eine Elle vor seiner Stirn hing, ohne dass es freilich eine Kerze gegeben hätte.
    Xinemus hörte Dinchases durch zusammengebissene Zähne atmen.
    Die Gestalt und das gespenstische Licht hielten an einer Abzweigung des Flurs inne, als sei der Hexenmeister auf einen seltsamen Geruch gestoßen. Sein altes Gesicht verdüsterte sich einen Moment lang und schien sie durch die Dunkelheit anzustarren. Sie standen wie Salzsäulen drei Herzschläge lang da. Es schien, als würden die Augen des Todes nach ihnen suchen.
    Die finstere Miene des Mannes nahm wieder einen gelangweilten Ausdruck an. Er bog in einen Quergang, und hinter ihm waren einen Moment lang erleuchtetes Mauerwerk und verschnörkelte Teppiche zu sehen. Dann war alles schwarz. Gerettet!
    »Gütiger Sejenus…«, stieß Dinchases hervor.
    »Wir müssen ihm folgen«, flüsterte Xinemus und spürte, wie sich seine Nerven allmählich beruhigten.
    Nun, da sie Miene und Licht des Hexenmeisters gesehen hatten, schrillten bei jedem ihrer Schritte innere Alarmglocken. Xinemus wusste, dass nur eine Loyalität, die größer war als die Angst vor dem Tod, Dinchases und Zenkappa bei ihm hielt. Doch im Bauch einer Festung der Scharlachspitzen wurde diese Loyalität auf die Probe gestellt wie nie zuvor, auch nicht in ihrer härtesten Schlacht. Sie forderten nicht nur das Böse heraus: Das Böse kannte auch keine Spielregeln – und das sowie ihre tödliche Angst reichten völlig, um sie zu zermürben.
    Sie kamen an die Abzweigung, konnten aber kein Licht im anderen Flur sehen und mussten sich darum Zentimeter für Zentimeter vorwärts tasten, wobei sie mit den Fingern den Kalksteinwänden folgten.
    Schließlich kamen sie an eine schwere Tür. Xinemus sah kein Licht durch die Ritzen dringen, griff den Riegel und zögerte.
    Er ist ganz in der Nähe! Da bin ich mir sicher!
    Der Marschall zog die Tür auf.
    An dem Luftzug, der über ihre feuchte Haut strich, merkten sie, dass sie in einen großen Raum führte, doch die Schwärze war weiter undurchdringlich. Sie fühlten sich in schrecklicher Finsternis gefangen.
    Mit ausgestrecktem Arm trat Xinemus ins Dunkel und zischte den anderen zu, ihm zu folgen.
    Eine Stimme durchbrach die Stille, und ihr Herz

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