Der Prinz von Atrithau
fächerartig über die Außenmauer. Steine barsten unter der enormen Hitze. Kettenhemden brannten sich ins Fleisch ihrer Träger. Die Tydonni kauerten sich unter ihre tränenförmigen Schilde, stemmten sich gegen das Licht und brüllten vor Wut und Entsetzen, ehe sie weggerissen wurden. Die Agmundrmänner zielten vergeblich auf die schwebenden Scheusale: Die mit Chorae bewaffneten Armbrustschützen schossen Bolzen für Bolzen ab, die jedoch allesamt vor dem Ziel niedergingen, weil die Cishaurim zu weit entfernt waren.
Die großgewachsenen Ritter aus Ce Tydonn wurden aufgerieben. Obwohl sie die Hoffnungslosigkeit ihres Unterfangens erkannten, fuchtelten viele bis zum Schluss fluchend mit dem Langschwert herum. Andere flüchteten. Wer dazu in der Lage war, kletterte die Leitern runter. Einige Krieger stürzten sich mit brennendem Bart und Haupthaar von den Zinnen. Ein glühender Lichtfaden ließ Gothyelks Standarte in Flammen aufgehen.
Dann war der Spuk vorbei.
Einen Moment lang war alles still. Nur von den Höhen ringsum drangen noch panische Schreie. Dann begannen die Kianene auf den Zinnen zu jubeln. Sie kamen über die von den Inrithi eroberten Teile der Mauer gerannt und warfen die Tydonni, die noch am Leben waren – darunter auch Gurnyau, den jüngsten Sohn Gothyelks –, in die Tiefe. Rasend vor Kummer musste der alte Graf fortgezerrt werden.
Der Rückzug der Männer des Stoßzahns verlief chaotisch. Reiter wurden losgeschickt, um die Scharlachspitzen ausfindig zu machen, die Caraskand noch immer nicht betreten hatten. Die Boten hatten nur eine knappe Nachricht zu überbringen: »Cishaurim verteidigen die Zitadelle des Hundes.«
Mit der Trophäe betrat Kellhus die Terrasse eines verlassenen Palasts, kam durch einen kleinen Garten mit Winterblumen und kunstvoll beschnittenen Sträuchern und entdeckte eine Tote, die mit über den Kopf geschobenem Kleid zwischen Wacholderbäumen lag. Er trat über sie hinweg und ging auf leuchtendem Marmor bis zur Balustrade der Terrasse. Der Wind trug ihm ein Gemisch ekelhafter und süßer Düfte zu: den Geruch kostbarer Dinge, die in Flammen aufgingen.
Die Zitadelle des Hundes überragte die Umgebung. Schwarz und verschwommen erhob sie sich wie ein Berg über unzählige Mauern und Dächer. Kellhus entdeckte winzige Soldaten der Kianene auf den Zinnen, deren Helme in der Sonne silbern glänzten, und sah, wie die Leichen der Inrithi von den Mauern geworfen wurden.
Im Norden und Süden war Caraskand ein einziges Sterben. Kellhus blickte angestrengt durch den Rauch ins ferne Gewirr von Bauten, vor und in denen sich viele kleine Dramen ereigneten: Gefechte Mann gegen Mann, Misshandlungen, Leichenfledderei, jammernde Frauen. Sogar ein Kind sprang vom Dach. Ein jäher Schrei ließ ihn nach unten blicken, und er sah eine Schar Thunyeri in schwarzer Rüstung durch den umzäunten Garten direkt unter der Terrasse stürmen, verlor sie aber schnell aus den Augen. Der Wind trug ihm heiseres Gelächter zu.
Er blickte an der Zitadelle vorbei auf die Hügel südlich der ausgedehnten Mauern Caraskands – Richtung Shimeh.
Ich komme dir immer näher, Vater. Ich bin schon ganz nah.
Er schwang sich den blutigen Sack, der bis vorhin noch sein Umhang gewesen war, von der Schulter, und der abgeschlagene Kopf rollte über den Marmorboden. Er musterte das Gesicht, das kaum mehr als ein Gewirr von Schlangen mit Menschenhaut zu sein schien, in dem zwei funkelnde Augen steckten. Kellhus wusste bereits, dass diese Kreaturen kein Hexenwerk waren. Er hatte von Achamian genug erfahren, um schließen zu können, dass sie weltliche Waffen waren – die Schwerter der alten Inchoroi gewissermaßen.
Waffen, derer sich letztlich die Rathgeber bedienten.
Kriege innerhalb von Kriegen. Es ist also dazu gekommen.
Kellhus war schon einigen seiner Zaudunyani begegnet. Selbst jetzt wurden seine Anordnungen in der Stadt verbreitet: Serwë und Esmenet sollten aus dem Lager evakuiert werden; seine Hundert Säulen sollten den namenlosen Kaufmannspalast sichern, auf dessen Terrasse er stand; die Zaudunyani, denen er die Beobachtung der von ihm enttarnten Hautkundschafter aufgetragen hatte, sollten schnellstens zu ihm kommen. Hoffentlich gelang es ihm, all dies zu ordnen, ehe das allgemeine Chaos ein Ende fand.
Der Heilige Krieg muss gereinigt werden!
Da blitzte es über der Zitadelle auf, und ein Knall, dem eine Vielzahl verstörender Disharmonien folgte, rollte donnergleich über die Stadt. Weitere Blitze
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