Der Prinz von Atrithau
durch die Finsternis. Kellhus ging auf einer Stuhllehne in den Handstand, stieß sich von dort ab und landete mit einem atemberaubenden Satz am hinteren Rand der aufgebockten Tischplatte in der Hocke.
Der Hautkundschafter mit dem aufgeschlitzten Unterleib schlug direkt unter ihm um sich. Dennoch hörte Kellhus, wie das Wesen namens Sarcellus aus dem Keller flüchtete.
Der Dûnyain verharrte eine kurze Weile reglos und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Unmenschliche Schreie hallten durch die Finsternis, als würde ein vielstimmiges Etwas lebendigen Leibes verbrennen.
Wie kann es solche Kreaturen geben? Was weißt du über sie, Vater?
Kellhus hob sein Schwert auf und schlug dem wimmernden Hautkundschafter den Kopf ab. Plötzlich war es still. Er wickelte das blutige Haupt in seinen zerfetzten Mantel.
Dann stieg er zurück ans Tageslicht und ins Gemetzel.
Die große schwarze Festung, die die Männer des Stoßzahns Zitadelle des Hundes nannten, stand auf dem östlichsten der neun Hügel von Caraskand. Die Inrithi hatten ihr diesen Namen gegeben, weil innere und äußere Schutzmauer den gewaltigen Bergfried in der Mitte so umschlossen, dass sie einem Hund ähnelten, der sich um die Beine seines Meisters gerollt hatte. Die Fanim nannten sie einfach Il’huda, das Bollwerk also. Der bedeutende Xatantius, der kriegerischste unter den frühen Kaisern von Nansur, hatte die Zitadelle errichten lassen. Sie war ein Spiegel der Größe und Genialität derer, denen es gelungen war, im Schatten der Scylvendi aufzublühen, und besaß gewaltige Wachtürme sowie versetzt gebaute Innen- und Außentore. Die Verteidigungsanlagen waren gestuft, so dass jeder Ring den nächsten überragte, und die Außenmauern waren aus glänzendem, nahezu unüberwindlichem Basalt.
Da Ikurei Conphas sich im Klaren darüber war, dass die Festung – von den Nansur bei ihrem ursprünglichen Namen Insarum genannt – der Schlüssel zur Stadt war, hatte er sie gleich angegriffen und gehofft, ihre Mauern einzunehmen, ehe Imbeyan eine abgestimmte Verteidigung organisieren konnte. Die Männer der Kolonne Selial stürmten die südlichen Höhen, wurden aber unter furchtbaren Verlusten zurückgeworfen. Bald aber waren die Galeoth ihnen auf die steilen Hänge nachgerückt, und dann folgten die Tydonni, denn Saubon und Gothyelk waren nicht so dumm, Conphas diese Beute zu lassen. Belagerungsmaschinen, die für den Angriff auf Caraskand gedacht gewesen waren, wurden herbeigeschafft und schleuderten brennenden Teer auf die Festung oder feuerten Granit und tote Fanim in die Zitadelle, und hohe Leitern mit Eisenhaken wurden an die Mauern gelegt, während die Kianene Steine und siedendes Öl von den Zinnen kippten, um die Angreifer zu zerschmettern und zu verbrühen. Ein eisenköpfiger Rammbock wurde unter den größten Wachturm geschleppt, und die Inrithi begannen trotz des wüsten Feuer- und Geschützhagels, das Tor einzurennen. Wolken von Pfeilen schwirrten durch die Luft, und einer davon traf Saubon in den Oberschenkel.
Überzahl und Ungestüm allein ließen die großen, bärtigen Warnutishmänner aus Ce Tydonn die Westmauer erstürmen. Diese Vasallen des toten Grafen Cerjulla kämpften die vielen Heiden nieder, die sich ihnen entgegenstellten. Sie wurden aus dem Festungsinneren von Bogenschützen attackiert, doch wenn mal ein Pfeil ihren schweren Kettenpanzer durchdrang, bohrte er sich nur in die dicke Filzschicht darunter. Viele kämpften weiter, obwohl ihnen mehrere Schäfte aus dem Rücken ragten. Die Toten und Sterbenden wurden kopfüber von den Zinnen geworfen und krachten auf die Felsen oder in die vielen Menschen, die vor der Festung herum wimmelten. Die Tydonni ließen sich nirgendwo auch nur einen Meter zurückdrängen, und die mit ihnen verwandten Agansi erreichten in ihrem Schutz unter Gurnyau, Gothyelks jüngstem Sohn, die Mauerbrüstung. Auf Geheiß des verwundeten Saubon beschossen die Agmundrmänner mit ihren Pfeilen die Innenmauer und zwangen die feindlichen Schützen, hinter ihren Zinnen in Deckung zu gehen. Jemand hisste den schwarzen Hirsch von Agansanor auf einem der Außentürme, was bei den Inrithi auf den Höhen ringsum lauten Jubel auslöste.
Dann kam ein Licht, das blendender war als die Sonne. Männer schrien und zeigten auf die irren Gestalten in safrangelben Umhängen, die zwischen den Türmen des schwarzen Bergfrieds schwebten: augenlose Cishaurim, von denen jeder zwei Schlangen um den Hals hatte.
Weißglühende Fäden strichen
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