Der Prinz von Atrithau
Schläge und das Trompeten von Elefanten den Gefechtslärm. Doch die Inrithi ließen sich nicht von den Zinnen vertreiben, und Kianene und Girgashi erlitten horrende Verluste. Überdies wurden vierzehn Mastodonten von flammendem Pech getroffen und verbrannten bei lebendigem Leibe, worüber Kascamandris jüngste Tochter, die schöne Sirol, bittere Tränen weinte.
Als die Sonne schließlich unterging, waren die Männer des Stoßzahns so erleichtert wie entsetzt, denn sie waren gerettet und zugleich verdammt.
Das Trommeln der Fanim dröhnte tief und abgehackt zu ihnen herüber.
Proyas lehnte auf dem Tor der Hörner an einer Kalksteinzinne und spähte angestrengt durch eine Schießscharte. Cnaiür stand hinter ihm. Die schlammige Ebene wimmelte von Kianene, die Besitz und Unterstände der Inrithi zu riesigen Freudenfeuern aufschichteten, leuchtende Pavillons aufstellten und Palisaden und Wälle verstärkten. Scharen von Reitern mit silbernen Helmen patrouillierten auf den Hügelkämmen und sprengten durch Felder und Obstgärten.
Auch die Inrithi hatten von dieser Ebene aus angegriffen: Ein verkohlter Belagerungsturm stand kaum einen Steinwurf von Proyas entfernt. Er kniff die schmerzenden Augen zu. Das darf doch nicht wahr sein!
Erst Euphorie und helles Entzücken über Caraskands Fall, dann das Auftauchen des Padirajah!
Viele Monate lang hatte es nur Gerüchte über eine schreckliche Streitmacht im Süden gegeben, und nun hatte Kascamandris gewaltige Armee tatsächlich rund um die Stadt Stellung bezogen. Erst hatte Proyas gedacht, jemand habe bei der Inventarisierung der Vorräte einen gewaltigen Fehler gemacht, und alle Engpässe wären beseitigt, wenn das durch die Plünderungen über die Stadt gekommene Chaos erst beseitigt wäre. Und die Divisionen mit den silbernen Helmen da draußen konnten doch unmöglich Reiter der Kianene sein… Die Heiden waren bei Anwurat doch tödlich verwundet und restlos aufgegeben worden! Der Heilige Krieg hatte das mächtige Caraskand – das Tor nach Xerash und Amoteu – erobert und war drauf und dran, ins Heilige Land einzurücken. Sie waren doch schon ganz nah…
So nah, dass man von Shimeh aus – dessen war er sich gewiss – den Rauch von Caraskand am Horizont sehen konnte.
Aber die Reiter waren tatsächlich Kianene, die unter dem weißen Löwen des Padirajah in Scharen um die Stadtmauern strömten, die geplünderten Lager der Inrithi abfackelten, die Kranken niedermetzelten und alle über den Haufen ritten, die dumm genug waren, sich ihnen zu widersetzen. Kascamandri war gekommen, und Gott und jegliche Hoffnung hatten sie verlassen.
»Wie hoch schätzt du die Zahl unserer Gegner?«, fragte Proyas den Scylvendi, der die vernarbten Arme über dem Kettenhemd verschränkte.
»Ist das nicht egal?«, fragte der Barbar zurück.
Vom gleichgültigen Blick des Scylvendi entmutigt, wandte Proyas sich wieder der rauchgrauen Ebene zu. Gestern, als ihm das Ausmaß des Desasters langsam aufgegangen war, hatte er sich stets aufs Neue nach dem Warum gefragt. Wie ein Kind, dem Unrecht getan wurde, hatte er sich immer wieder vor Augen geführt, wie fromm er doch war. Wer von den Hohen Herren hatte so geschuftet wie er? Wer hatte mehr Brandopfer dargebracht, wer mehr Gebete angestimmt? Nun aber wagte er es nicht länger, diese Fragen zu stellen.
Er hatte nämlich an seine Lehrer Achamian und Xinemus gedacht.
»Ihr seid es«, hatte der Marschall von Attrempus zu ihm gesagt, »der alles aufgibt…«
Aber im Namen Gottes! Für Gottes Herrlichkeit!
»Natürlich nicht«, fauchte Proyas. Er wusste, dass sein Ton den Scylvendi wütend machen würde, doch das war ihm gleich. »Wir müssen einen Ausweg finden!«
»Genau«, sagte Cnaiür scheinbar gelassen. »Wir müssen einen Ausweg finden – egal, wie groß die Armee des Padirajah ist.«
Mit finsterer Miene drehte sich Proyas wieder zur Schießscharte um. Er war nicht in der Stimmung, belehrt zu werden.
»Was ist mit Conphas?«, fragte er. »Vielleicht lügt er ja, was die Vorräte angeht?«
Der Barbar zuckte die Achseln. »Die Nansur können gut rechnen.«
»Und gut lügen!«, rief Proyas. Warum konnte dieser Cnaiür nicht einfach seine Fragen beantworten? »Glaubst du, Conphas sagt die Wahrheit?«
Cnaiür spuckte von den Zinnen. »Wir müssen abwarten. Dann sehen wir ja, ob er fett bleibt, während wir dünn werden.«
Dieser verdammte Kerl! Wie konnte er ihn in dieser Lage nur so quälen?
»Du wirst in der Stadt belagert,
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