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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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war, was die Nansur einen Tesperaro nannten – also ein Kapitän mit eigenem Schiff-, und hatte einst eine Kriegsgaleere befehligt. Sein kurzes Haar war silbern durchzogen, und sein Gesicht besaß, obwohl vom Meer gegerbt, eine nachdenkliche Zartheit. Natürlich war er glatt rasiert, was ihn jungenhaft wirken ließ. Aber alle Nansur wirkten ja so.
    »Die Bucht liegt nicht auf unserer Route, ich weiß«, meinte er. »Aber ich musste das einfach mit eigenen Augen sehen.«
    »Ihr habt einen nahen Verwandten verloren«, sagte Achamian, als er die geschwollenen Augen des Kapitäns bemerkte.
    Meümaras nickte und sah angespannt auf die verkohlten Wracks, die am Strand verstreut lagen. »Meinen Bruder.«
    »Und Ihr seid Euch sicher, dass er tot ist?«
    Eine Möwenschar krächzte über ihnen.
    »Bekannte von mir, die hier an Land gegangen sind, haben mir berichtet, Knochen und verdorrte Leichen übersäen den Strand meilenweit nach Norden und Süden«, sagte Meümaras. »So katastrophal der Angriff der Kianene auch war: Tausende, wenn nicht Zehntausende haben ihn überlebt, weil General Sassotian so nah an der Küste hatte ankern lassen… Und dann sind sie verdurstet«, setzte er hinzu und sah Xinemus kurz an. »Wir sind hier schließlich am Rand der Carathay.«
    Der Kapitän wandte sich an Achamian, und seine braunen Augen hielten seinem Blick stand. »Keiner hat überlebt.«
    Achamian erstarrte. Eine nun schon wohlbekannte Angst überkam ihn, und es fröstelte ihn trotz der Wüstenluft. »Der Heilige Krieg hat überlebt«, erklärte er.
    Meümaras runzelte die Stirn, als habe etwas an Achamians Ton ihn abgelenkt. Er öffnete den Mund, sagte dann aber nichts.
    »Ihr fürchtet, auch einen geliebten Menschen verloren zu haben«, meinte er und sah Xinemus erneut kurz an.
    »Nein«, sagte Achamian. Sie lebt! Kellhus hat sie gerettet!
    Meümaras seufzte und wandte die Augen mitfühlend und verlegen ab. »Ich wünsche Euch Glück«, sagte er mit einem Blick aufs Wasser. »Wirklich. Aber dieser Heilige Krieg…« Er fiel in ein vieldeutiges Schweigen.
    »Was ist mit dem Heiligen Krieg?«, fragte Achamian.
    »Ich bin ein alter Seemann und habe genug Schiffe bei Sturm vom Kurs abkommen und sinken sehen, um zu wissen, dass Gott keine Garantien gibt – egal, wer Kapitän ist oder wie die Ladung aussieht.« Er sah Achamian an. »Am Heiligen Krieg ist nur eins gewiss: Es hat nie ein größeres Blutvergießen gegeben.«
    Achamian wusste es besser, verkniff sich aber, etwas dazu zu sagen. Stattdessen musterte er wieder die vernichtete Flotte und ärgerte sich plötzlich über die Gesellschaft des Kapitäns.
    »Warum sagt Ihr das?«, fragte Xinemus. Wie stets, wenn er redete, drehte er das Gesicht von einer Seite zur anderen. Achamian wurde dieser Anblick immer unerträglicher. »Was habt Ihr gehört?«
    Meümaras zuckte die Achseln. »Zum größten Teil Verrücktes. Man redet von Hemoplexie, katastrophalen Niederlagen und davon, der Padirajah habe all seine Reserven mobilisiert.«
    »Pah«, stieß Xinemus bitter hervor. »Das weiß doch jeder.«
    Achamian hörte inzwischen in allem, was Xinemus sagte, Furcht. Es war, als lauerte in der Dunkelheit etwas Entsetzliches, von dem er befürchtete, es könnte den Klang seiner Stimme erkennen. Im Laufe der Zeit wurde immer klarer, dass die Scharlachspitzen ihm nicht nur das Augenlicht, sondern auch das Strahlen und den Schalk genommen hatten, die einst in seinem Blick lagen. Mit Zauberformeln hatte Iyokus Xinemus’ Seele auf widernatürliche Weise beeinflusst und ihn gezwungen, Würde und Liebe zu verraten. Achamian hatte seinem Freund zu erklären versucht, dass nicht er diese Gedanken gedacht und diese Worte geäußert hatte, aber das war zwecklos gewesen. Wie Kellhus gesagt hatte: Der Mensch weiß nicht, was ihn antreibt. Die Schwächen, die Xinemus mit angesehen hatte, waren seine eigenen gewesen. Mit dem wahren Ausmaß des Bösen konfrontiert, hatte er die eigenen Gebrechen verantwortlich gemacht.
    Der Kapitän schien von Xinemus’ Einwurf unbeeindruckt zu sein und setzte hinzu: »Und dann gibt es da noch die Geschichten von dem neuen Propheten.«
    Achamian fuhr herum. »Was ist mit ihm?«, fragte er vorsichtig. »Wer hat Euch davon erzählt?«
    Es musste einfach Kellhus sein. Und wenn er überlebt hatte…
    Hoffentlich, Esmi – hoffentlich bist du in Sicherheit!
    »Das weiß ich von dem Kapitän des Schiffs, das in Iothiah unseren Liegeplatz übernommen hat«, sagte Meümaras. »Er

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