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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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brüllte Conphas.
    »Und Ihr, Conphas? Was verbergt Ihr?«
    »Seine Worte sind Speere!«, rief der Oberbefehlshaber der Nansur. »Schon seine Stimme ist eine Unverschämtheit!«
    »Ich spreche nur aus, was euch allen auf der Seele liegt – die Frage nämlich: Was ist, wenn ihr euch irrt?«
    Selbst Conphas machte die Wucht dieser Worte sprachlos. Es schien, als habe der Kriegerprophet diese Frage mit der Stimme Gottes gestellt.
    »Da ihr euch nicht sicher seid, flüchtet ihr euch in die Wut«, fuhr er traurig fort. »Ich frage nur: Was treibt euch an? Was treibt euch dazu, mich zu verurteilen? Ist es wirklich Gott? Gott waltet zweifellos und strahlend in den Menschen! Waltet er auch so in euch?«
    Ein großes Schweigen antwortete ihm, eine schmerzliche Stille der Angst – als wären sie alle verführte Kinder, die sich plötzlich mit dem Tadel ihres gottgleichen Vaters konfrontiert sehen. Serwë spürte Tränen auf den Wangen.
    Endlich begreifen sie es!
    Doch dann entgegnete ein Tempelritter – und zwar Sarcellus, der als Einziger von Kellhus’ Appell unbeeindruckt geblieben schien – dem Kriegerpropheten laut und deutlich mit einem Zitat aus der Chronik des Stoßzahns: ›»Ob heilig oder profan, ja gemein – alles spricht zu den Herzen der Menschen, und verwirrt strecken sie der Dunkelheit die Hände entgegen und nennen sie Licht.‹«
    Der Kriegerprophet sah ihn scharf an und zitierte seinerseits: ›»Hört auf die Wahrheit, denn sie waltet grimmig unter euch und lässt sich nicht dauerhaft leugnen.‹«
    Ruhig und freudestrahlend konterte Sarcellus: ›»Fürchtet ihn, denn er ist der Betrüger, die Fleisch gewordene Lüge, die zu euch gekommen ist, um euer reines Herz zu besudeln.‹«
    Der Kriegerprophet lächelte traurig. »Die Fleisch gewordene Lüge, Sarcellus?« Serwë sah seinen Blick über die Menge wandern und schließlich auf Cnaiür verharren, der in der Nähe stand. »Die Fleisch gewordene Lüge«, wiederholte er und blickte dem Scylvendi dabei fest in die Augen. »Die Jagd muss noch nicht zu Ende sein… Denk daran, wenn du dir das Geheimnis des Kampfs in Erinnerung rufst. Du hast noch immer das Vertrauen der Mächtigen.«
    »Du bist ein falscher Prophet«, rief Sarcellus. »Ein Fürst ohne Land.«
    Als wären diese Worte ein Signal gewesen, attackierten die Tempelritter die Hundert Säulen, und man hörte Waffen klirren. Jemand schrie, und ein Ritter fiel auf die Knie und hielt sich mit der Linken den blutenden Stumpf, an dem eben noch seine rechte Hand gesessen hatte. Ein zweiter Schrei ertönte, ein dritter, dann stürmte die hungernde Menge vorwärts, als hätte der Anblick von Blut sie aus der Duldungsstarre gerissen.
    Serwë schrie, krallte sich am Ärmel des Kriegerpropheten fest und drückte ihr Kind in wilder Verzweiflung an sich.
    Doch es war hoffnungslos. Nach kurzem Gemetzel hatten sich die Tempelritter zu ihnen durchgefochten. Entsetzt sah Serwë, wie der Kriegerprophet eine auf ihn niedersausende Klinge mit blanker Hand stoppte, zerbrach und den Hals seines Angreifers berührte, der daraufhin zusammensank. Einen anderen erwischte er am Arm, der plötzlich schlaff wie Sackleinen war, und hieb ihm die Faust ins Gesicht, als wäre sein Kopf eine Melone.
    In weiter Ferne hörte sie, wie Gotian seine Männer anschrie, sie sollten aufhören.
    Sie sah einen Ritter mit irrem Gesicht und ausholendem Schwert heranstürmen, doch dann lag er am Boden und schlug nach einem Strahl Blut, der ihm aus der Seite schoss, während ein rauer, vielfach vernarbter und ungemein kräftiger Arm sie umfasste.
    Der Scylvendi? Der Scylvendi hatte sie gerettet?
    Endlich konnte der Hochmeister seine Tempelritter zügeln und zum Rückzug bewegen. In ihren Kettenhemden wirkten sie hager und wölfisch. Die Stoßzähne auf ihren fleckigen und zerlumpten Umhängen sahen abgewetzt und seltsam böse aus.
    Die ganze Welt schien ein einziges Heulen.
    Gotian trat zwischen seinen verschwitzten Männern hervor, sah Cnaiür einen Moment lang finster an und wandte sich dann an den Kriegerpropheten. Sein aristokratisches Gesicht war abgehärmt und verbittert und schien einem Mann zu gehören, den eine verhasste Welt lange gequält hat.
    »Ergib dich, Anasûrimbor Kellhus«, sagte er heiser. »Du wirst ausgepeitscht gemäß den Heiligen Schriften.«
    Serwë schlug auf den Scylvendi ein, bis er sie losließ. Er sah sie entsetzt an, doch sie empfand nur abgrundtiefen Hass, stolperte zu Kellhus und begrub ihr Gesicht und ihr Kind

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