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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Kellhus – oder dem Wesen, das ausgesehen hatte wie er – sein Messer in die Brust gestochen hatte. Er dachte daran, wie Serwë unter dem falschen Kellhus gekeucht hatte, und plötzlich traten ihm Tränen in die Augen. Nur sie kannte sein Herz. Nur sie verstand ihn, wenn er weinend erwachte…
    Serwë, die erste Frau seines Herzens.
    Ich werde sie bekommen!, weinte jemand in ihm. Endlich wird sie mir wirklich gehören!
    Plötzlich rückte alles seltsam von ihm ab, und die Welt schien ihm bleiern und wie betäubt. Er erkannte völlig nüchtern, dass er sich an Anasûrimbor Moënghus nicht mehr würde rächen können. Trotz seines Hasses, seiner unendlichen Wut endete die Blutspur, der er gefolgt war, hier… In einer Stadt.
    Wir sind todgeweiht. Wir alle…
    Sollte Caraskand wirklich ihr Grab werden, dann wollte er zuerst das Blut bestimmter Leute fließen sehen.
    Aber Moënghus! schrie es in ihm. Moënghus muss sterben! Doch er konnte sich an das verhasste Gesicht von Kellhus’ Vater nicht mehr erinnern, sondern sah stattdessen nur ein wimmerndes Kleinkind.
    »Was ihr berichtet habt, ist wahr«, erklärte er schließlich. Dann wandte er sich an Proyas und hielt seinem erstaunten Blick stand. Seine Worte waren so bitter, dass er glaubte, wieder den Geschmack der Orangenschale im Mund zu haben.
    »Der Mann, den man Prinz Kellhus nennt, ist ein Hochstapler… Ein Fürst ohne Land.«
     
     
    Nie hatte er sich so mut- und leidenschaftslos gefühlt.
    Der Audienzsaal des Sapatishah-Palasts war so riesig wie der alte, unangenehm feuchte Königssaal seines Vaters Eryat in Oswenta, doch der Glanz des Kriegerpropheten ließ ihn wie die Wohnküche einer armseligen Hütte erscheinen. Saubon saß auf Imbeyans Thron aus Elfenbein und Knochen und sah dem Dûnyain bang entgegen. Ringsum brannten die Königsfeuer in gewaltigen Eisenschalen. Noch immer schienen sie die hier versammelte Pracht zu beleidigen und wirkten wie das Imponiergehabe primitiver, rückwärtsgewandter Leute.
    Aber immerhin war er König – König von Caraskand.
    Der in einen weißen Umhang gehüllte Mann, der einmal Prinz Kellhus gewesen war, blieb unterhalb Saubons auf einem runden, tiefroten Teppich stehen, der den Kianene zu Huldigungszwecken gedient hatte, kniete aber nicht nieder und zuckte mit keiner Wimper.
    »Warum habt Ihr mich kommen lassen?«
    »Um Euch zu warnen. Ihr müsst fliehen. Der Rat tritt demnächst zusammen…«
    »Aber der Padirajah beherrscht die Zufahrtsstraßen und alles Land ringsum. Außerdem kann ich meine Anhänger nicht im Stich lassen – so wenig wie Euch.«
    »Das müsst Ihr aber! Sie werden Euch verurteilen. Selbst Proyas!«
    »Und Ihr, Coithus Saubon? Werdet Ihr mich auch verurteilen?«
    »Nein, niemals!«
    »Aber Ihr habt ihnen schon versichert, dass Ihr das Ergebnis ihrer Beratung akzeptieren werdet.«
    »Wer hat das gesagt? Welcher Lügner wagt es…«
    »Ihr habt das gesagt.«
    »Aber… Aber das müsst Ihr verstehen!«
    »Das tu ich auch. Sie haben Euch mit Eurer Stadt erpresst. Wenn Ihr sie behalten wollt, müsst Ihr meine Gegner gewähren lassen.«
    »Nein, so ist das nicht. So nicht!«
    »Wie ist es dann?«
    »Es ist… Es ist, wie es ist!«
    »Euer Leben lang, Saubon, habt Ihr Euch danach gesehnt, mit den Insignien des Tyrannen zu regieren. Das kommt von Eurem Vater, dem alten Eryat. Erzählt mir, zu wem Ihr gerannt seid, Saubon, wenn Euer Vater Euch geschlagen hat. Wer hat Eure Wunden mit Vlies betupft? Eure Mutter oder Euer Berater Kussalt?«
    »Niemand hat mich geschlagen! Er… Er…«
    »Also Kussalt. Sagt mir, Saubon, was hat Euch mehr zugesetzt? Ihn auf den Ebenen von Mengedda zu verlieren oder von seinem lebenslangen Hass zu erfahren?«
    »Ruhe!«
    »Euer Leben lang hat Euch niemand gekannt.«
    »Ruhe!«
    »Euer Leben lang habt Ihr gelitten und an denen gezweifelt…«
    »Nein! Nicht! Ruhe!«
    »… und die bestraft, die Euch geliebt haben.«
    Saubon hielt sich die Ohren zu. »Aufhören! Das ist ein Befehl!«
    »Wie Ihr Kussalt bestraft habt, wie Ihr…«
    »Schluss jetzt! Sie haben mir gesagt, Ihr würdet genau das tun! Sie haben mich vor Euch gewarnt!«
    »Allerdings – sie haben Euch vor der Wahrheit gewarnt. Davor, dem Kriegerpropheten ins Netz zu gehen.«
    »Wie könnt Ihr das wissen?«, rief Saubon, und ein plötzlicher Jammer packte ihn. »Wie?«
    »Weil es die Wahrheit ist.«
    »Dann weg damit! Weg mit der Wahrheit!«
    »Und was wird aus Eurer unsterblichen Seele?«
    »Die soll verdammt sein!«,

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