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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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durch die dunklen Straßen. Angesichts der Umstände ihrer Ankunft waren sie durchaus höflich zu Achamian und Xinemus, verweigerten aber jede Auskunft, solange keine Autorität für sie gebürgt hatte. Auf dem Weg sah Achamian weitere Männer des Stoßzahns, die meist ebenso elend aussahen wie die Torwachen. Ob sie nun allein am Fenster saßen oder mit anderen an Pilastern lehnten – stets waren ihre Gesichter bleich und ausdruckslos und ihre starrenden Augen so hell, als würde in ihnen das Feuer brennen, das ihren Körper verzehrte.
    Achamian hatte solche Blicke schon gesehen: auf den Feldern von Eleneöt nach dem Tod von Anasûrimbor Celmomas; im großen Trysë, als das Shinoth-Tor fiel; auf den Ebenen von Mengedda, als die Ankunft des furchtbaren Tsurumah bevorstand. In diesem Blick lagen Entsetzen und Wut darüber, niemals siegen zu können.
    Doch in dem Augenkontakt, den Achamian hier mitunter aufnahm, begegnete ihm nichts Drohendes oder Herausforderndes, sondern nur das gedankenlose Verständnis erschöpfter Brüder. Ein Dämon oder ein Reptil war in die Schädel derer gekrochen, die das Unerträgliche ertrugen, und wenn dieses Wesen aus ihren Augen sah, erkannte es sich in anderen wieder. Achamian begriff, dass er zu ihnen gehörte – nicht nur zu den Seinen hier in Caraskand, sondern zum Heiligen Krieg selbst. Er gehörte zu diesen Männern, und zwar bis in den Tod.
    Wir teilen ein Schicksal.
    Mit Rücksicht auf Xinemus gingen sie langsam und trotteten zwischen zwei Hügeln in ein Gebiet hinunter, das einer der Tydonni den Pott genannt hatte. Dort hatten Proyas und sein Anhang angeblich Quartier bezogen. Sie kamen durch ein wahres Labyrinth von Gassen und Gängen, und mehrmals mussten die Ritter Passanten nach dem Weg fragen. Trotz der Aussicht, nach so vielen bitteren Monaten wieder auf Kellhus, Esmenet und Proyas zu treffen, dachte Achamian dauernd über die Gedankenlosigkeit nach, mit der er am Stadttor von Caraskand erklärt hatte: »Ich bin Drusas Achamian, Ordensmann der Mandati…«
    Wie lange hatte er diese Worte nicht mehr ausgesprochen?
    Ordensmann der Mandati…
    War das eine zutreffende Selbstbeschreibung? Und wenn ja, warum scheute er sich dann, mit Atyersus Kontakt aufzunehmen? Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten seine Ordensbrüder von seiner Entführung erfahren. Bestimmt hatten sie unter den Leuten aus Conriya Informanten, von denen er nichts wusste. Vermutlich hielten sie ihn für tot.
    Warum sollte er sich also nicht bei ihnen melden? Die Drohung der Zweiten Apokalypse war während seiner Gefangenschaft nicht kleiner geworden. Und die Träume suchten ihn heim, wie sie es immer getan hatten.
    Ich melde mich nicht, weil ich nicht mehr zu ihnen gehöre.
    Trotz aller Hartnäckigkeit, mit der er die Gnosis verteidigt und dafür sogar Xinemus geopfert hatte, hatte er sich von den Mandati losgesagt – und zwar schon vor seiner Entführung, wie ihm nun klar wurde. Er hatte sich zugunsten von Kellhus von ihnen losgesagt.
    Ich hab ihm die Gnosis beibringen wollen…
    Bei diesem Gedanken blieb ihm die Luft weg, und ihm fiel ein, dass ihn in Caraskand sehr viel mehr als nur Esmenet erwartete: die alten Geheimnisse, die Maithanet umgaben; die Bedrohung der Rathgeber und ihrer Hautkundschafter; der so verheißungsvolle wie rätselhafte Anasûrimbor Kellhus; die Vorzeichen der Zweiten Apokalypse!
    Doch obwohl ihm die Angst zusetzte, sperrte sich etwas in ihm – etwas, das alt, unnachgiebig und unempfindlich wie ein Krokodil war. Lass die Geheimnisse doch Geheimnisse bleiben! dachte er dann und wann. Soll die Welt ruhig über uns zusammenstürzen! Denn er war Drusas Achamian, ein ganz normaler Mann, und er würde nun zu seiner geliebten Frau zurückkehren – zu seiner Esmenet. Nach den furchtbaren Erfahrungen, die er in Iothiah hatte machen müssen, schienen ihm die großen Gefahren, die die Welt bedrohten, so kindisch zu sein wie alles andere und kamen ihm vor wie Metaphern in einem allzu oft gelesenen Buch.
    Ich weiß, dass du lebst. Ich weiß es!
    Schließlich hielten sie vor einer Grundstücksmauer. Achamian beobachtete, wie zwei der Ritter mit den Wächtern am Tor in Streit gerieten. Als er die Stimme seines Freundes vernahm, drehte er sich zu ihm um.
    »Akka«, begann Xinemus und machte ein finsteres Gesicht, »als wir uns unter der Tarnkappe hierher durchgeschlagen haben…«
    Der Marschall zögerte, und Achamian fürchtete kurz eine Flut von Vorwürfen. Vor Iothiah hätte Xinemus die Idee,

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