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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Dunkel unter dem Umiaki.
    Noch immer konnte er nichts erkennen.
    Eine Zeit lang überlegte er, sich den Weg freizukämpfen. Dann gingen auf der anderen Seite des Umiaki ein paar Fackeln tragende Tempelritter vorbei, in deren flackerndem Licht Cnaiür flüchtig Kellhus erkannte. Oder war es Serwë gewesen?
    Die vorderen Reihen der Inrithi begannen teils begeistert, teils verächtlich zu schreien. Durch den Aufruhr vernahm Cnaiür eine samtene Stimme, die nur sein Herz hören konnte.
    Es ist gut, dass du gekommen bist – gut und richtig.
    Cnaiür musterte entsetzt die an den Ring gefesselte Gestalt. Dann waren die Fackelträger vorbeigezogen, und es wurde wieder finster. Das Geschrei klang ab. Nur hin und wieder rief jemand etwas.
    Jeder, sagte die Stimme, sollte seine Aufgabe kennen.
    »Ich bin hier, um dich leiden zu sehen!«, rief Cnaiür. »Ich bin gekommen, um dein Sterben zu beobachten!«
    Ringsum sahen Menschen ihn erschrocken an.
    Aber warum solltest du das wollen?
    »Weil du mich betrogen hast!«
    Wie hab ich dich betrogen?
    »Du lügst doch mit jedem Wort! Du bist ein Dûnyain!«
    Du überschätzt mich… Mehr noch als diese Inrithi.
    »Weil ich Bescheid weiß! Nur ich weiß, was du für einer bist! Und ich allein kann dich zerstören!« Er lachte, wie es nur ein Häuptling der Utemot konnte, und zeigte dann ins Dunkel unter dem Umiaki. »Sieh doch…«
    Und mein Vater? Die Jagd muss noch nicht zu Ende sein – und das weißt du.
    Cnaiür stand außer Atem und reglos da.
    »Ich habe die Jagd um eines größeren Hasses willen aufgegeben«, sagte er schließlich ganz ruhig.
    Ach ja?
    »Ja! Schau, was du ihr angetan hast!«
    Was ich ihr angetan habe, Scylvendi? Oder was du ihr angetan hast?
    »Sie ist tot. Meine Serwë ist tot! Meine Beute!«
    Allerdings… Und was mögen sie flüstern, nun, da dein Beweis dahin ist? Welchen Maßstab werden sie anlegen?
    »Sie haben sie deinetwegen getötet!«
    Kellhus lachte laut und amüsiert.
    So kann nur ein wahrer Sohn der Steppe sprechen!
    »Du verspottest mich auch noch?«
    Eine kräftige Hand packte ihn an der Schulter. »Das reicht!«, rief jemand. »Hör mit dem irren Gerede auf!«
    Mit einer fließenden Bewegung schnappte Cnaiür sich die Hand und drehte sie um, wobei Sehnen rissen und Knochen brachen, holte den Dummkopf, der ihn angefasst hatte, mühelos von den Beinen und schleuderte ihn mit voller Wucht auf den Boden.
    Verspotten? Wer würde es wagen, einen Mörder zu verspotten?
    »Du hast sie getötet!«, brüllte Cnaiür den Baum an. »Du!«
    Nein, Scylvendi – das warst du. Als du mich verkauft hast.
    »Um meinen Sohn zu retten!«
    Cnaiür sah Serwë kraftlos und schockiert in den Armen von Sarcellus. Blut schoss auf ihr Kleid, und ihre Augen versanken im Dunkeln… Die Finsternis! Wie viele Augen hatte er darin versinken sehen?
    Er hörte einen Säugling aus dem Dunkel schreien.
    »Sie hätten die Hure Esmenet töten sollen!«, brüllte er.
    Mehrere Inrithi riefen, er solle endlich mit dem Geschrei aufhören. Er spürte einen Schlag auf der Wange, sah eine Klinge blitzen, packte einen Mann am Kopf und bohrte ihm die Daumen in die Augen. Etwas Scharfes drang in seinen Oberschenkel, Fäuste hämmerten auf seinen Rücken, und ein Knüppel oder Knauf krachte an seine Schläfe. Er ließ den Mann los, taumelte rückwärts und hörte dabei den Dûnyain lachen, wie die Utemot gelacht hatten.
    Heulsuse!
    »Du!«, brüllte er und schlug ein paar Männer mit den Fäusten zu Boden. »Du!«
    Plötzlich wich die erregte Menge vor einer keifenden Gestalt zu seiner Rechten zurück. Mehrere Inrithi stießen Entschuldigungen aus. Cnaiür blickte den Mann an, der beinahe seine Größe hatte, aber längst nicht so kräftig war.
    »Hast du den Verstand verloren, Scylvendi? Ich bin’s!«
    Du hast Serwë ermordet!
    Plötzlich verwandelte sich der Fremde in Coithus Saubon, der in ein schäbiges Büßergewand gekleidet war. Was war denn das schon wieder für ein abgekartetes Spiel?
    »Cnaiür«, rief der Prinz von Galeoth, »mit wem redest du da?«
    Du!, kicherte es aus der Dunkelheit.
    »Scylvendi?«
    Cnaiür befreite sich aus Saubons Umklammerung. »Ein Narr, wer hier Totenwache hält«, knurrte er.
    Dann spuckte er auf den Boden und wandte sich ab, um sich aus der Menge zu kämpfen.
    Esmi …
    Sein Herz machte bei dem Gedanken an sie einen Sprung.
    Ich komme, Süße. Ich bin dir schon ganz nah!
    Die Tydonni – fünf Ritter und ein bunter Haufen Fußsoldaten – führten sie

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