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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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überraschen gerne diejenigen, die ihre Toten bestatten.«
    Als keiner der Adligen reagierte, fluchte Cnaiür und trieb sein Pferd wieder den Abhang hinunter. Proyas blickte finster drein, als er sich näherte, sagte aber kein Wort.
    Er prüft mich.
    »Es ist mir egal, ob ihr mich für unverschämt haltet«, sagte Cnaiür. »Mir geht es allein um das, was nötig ist.«
    »Ich werde reiten«, meinte Xinemus und wendete schon sein Pferd.
    »Nein«, rief Cnaiür. »Ingiaban wird reiten.«
    Ingiaban knurrte und strich mit den Fingern über die in seinen Umhang gestickten blauen Sperlinge – das Zeichen seines Hauses. Er sah Cnaiür zornig an. »Von allen, die es je wagten, mir ans Bein zu pinkeln, bist du der Erste, der höher als bis zum Knie zielt«, sagte er. Einige Reiter lachten, doch der Pfalzgraf von Kethantei lächelte nur bitter. »Bevor ich aber meine Hose wechsle, Scylvendi, sag mir doch bitte, warum du ausgerechnet mich anpinkelst.«
    Cnaiür fand das nicht komisch. »Weil dein Haus dem Prinzen am nächsten steht und Proyas in Lebensgefahr ist.«
    Der hohlwangige Pfalzgraf wurde blass.
    »Tut, wie Euch geheißen!«, rief Xinemus.
    »Sieh dich vor, Marschall«, knurrte Ingiaban. »Dass du mit unserem Prinzen Benjuka spielst, macht dich noch lange nicht zu meinem Vorgesetzten.«
    »Also darfst du ihm nur bis zur Taille pinkeln, Xin«, witzelte Gaidekki.
    Auf diese Bemerkung folgte erneut großes Gelächter. Ingiaban schüttelte bekümmert den Kopf. Bevor er losritt, hielt er kurz inne und senkte das Kinn mit dem viereckig geschnittenen Bart vor dem Scylvendi. Ob das eine Warnung oder ein Zeichen der Versöhnung gewesen war, vermochte Cnaiür allerdings nicht zu sagen.
    Es folgte eine unangenehme Pause. Der Schatten eines Geiers glitt über sie hin, und Proyas sah zum Himmel. »Also, Cnaiür«, sagte er dann und blinzelte, weil die Sonne ihn geblendet hatte, »was ist hier passiert? Waren sie wirklich zahlenmäßig unterlegen?«
    Cnaiür zog eine finstere Miene. »Nein, sie wurden überlistet.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Proyas.
    »Dein Cousin war ein Dummkopf. Er war es gewohnt, seine Männer in Dreier- oder Viererreihen hintereinander reiten zu lassen, wie man es auf Straßen tun muss. So ritten sie in diese Senke und den gegenüberliegenden Hang hinauf. Die Kianene warteten oben mit am Boden gehaltenen Pferden auf sie.«
    »Sie sind also in einen Hinterhalt geraten«, meinte Proyas und hob die Hand, um die Kammlinie besser mustern zu können. »Glaubst du, die Heiden sind zufällig auf sie getroffen?«
    Cnaiür zuckte die Achseln. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Da Sodhoras sich als Vorreiter sah, hielt er es offenbar für unnötig, selbst Späher auszusenden. Die Fanim sind gerissener. Vielleicht sind sie ihm ohne sein Wissen eine Zeit lang gefolgt und haben sich gedacht, dass er früher oder später hierher kommen wird.« Er wendete sein Pferd und zeigte auf die Toten mitten auf der Kammlinie. Sie wirkten seltsam friedlich – wie Eunuchen, die nach einem Bad in der Sonne dösten. »Aber das ist fraglich. Die Fanim griffen an, als die ersten Männer – unter ihnen Sodhoras – den Kamm erreichten…«
    »Wie kannst du denn wissen, dass Sodhoras…«, platzte Gaidekki heraus.
    »Weil die Männer, die weiter unten ritten, die Formation verließen, um ihrem Herrn zu Hilfe zu kommen, dann aber feststellen mussten, dass die Fanim sich auf ganzer Länge des Bergrückens versteckt hatten. Der Hang sieht harmlos aus, ist aber tückisch, denn er besteht aus Sand und Schotter. Viele wurden aus nächster Nähe von Pfeilen durchbohrt, als ihre Pferde zu rutschen begannen. Die wenigen Reiter, die den Kamm erreichten, haben den Fanim ziemlich viel Kummer gemacht. Das weiß ich, weil das viele Blut auf dem Hügelrücken längst nicht nur von den Leichen dort stammt. Schließlich aber wurden diese Reiter doch überwältigt. Die restlichen etwa zwanzig Männer schätzten die Situation nüchterner ein und machten sich nicht mit dem Mut der Verzweiflung daran, ihren Herrn in einer sinnlosen Aktion zu retten, sondern zogen sich zurück. Vielleicht wollten sie die Fanim so dazu bringen, ihnen nachzureiten, und hofften, sich dann an ihnen zu rächen.«
    Selbst auf die Gefahr hin, dass der nassforsche Pfalzgraf ihm widersprechen würde, sah Cnaiür kurz zu Gaidekki hinüber. Doch der nahm – wie die anderen – die Anordnung der Toten in Augenschein.
    »Aber die Kianene«, fuhr Cnaiür fort, »blieben auf dem

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