Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
oder nicht? Das Schicksal meinte es gut mit ihm. Gedea würde ihm gehören!
    Das hatte er sich gesagt.
    Dann hatte aus dem Nichts eine innere Stimme geflüstert: Vielleicht ist Prinz Kellhus ja ein Betrüger.
    Die Lage war so verrückt oder gar pervers, dass ein Gedanke, ein kleines Zucken der Seele fast alles über den Haufen werfen konnte. War die Zukunft eben noch ein Selbstbedienungsladen gewesen, spielte er nun gegen eine gewaltig drohende Gefahr va banque. Und vom Ausgang dieses Spiels hing nicht nur das Leben Tausender ab, sondern womöglich der gesamte Heilige Krieg.
    Schon ein Gedanke konnte alles über den Haufen werfen – so labil also war das Gleichgewicht zwischen Seele und Welt.
    Angst befiel ihn, und er drohte zu verzweifeln. Nachts weinte er in der Abgeschiedenheit seines Zelts. War es nicht immer so gewesen, dass die Götter ihn verspotteten, enttäuschten und erniedrigten? Das hatte schon bei seiner Geburt begonnen, denn er musste damit leben, trotz seiner gewaltigen Qualitäten der letztgeborene Sohn zu sein. Dann war da sein Vater gewesen, der ihn über jedes nachvollziehbare Maß hinaus bestrafte und schlug, weil er seine Leidenschaft und seine Schläue geerbt hatte. Dann waren da die erst einige Jahre vergangenen Kriege gegen Nansur, in denen er bis auf wenige Meilen an Momemn herangekommen war und die Rauchglocke der Hauptstadt schon am Horizont hatte erkennen können, um dann von Ikurei Conphas heimgesucht und von diesem Grünschnabel geschlagen zu werden.
    Und jetzt das…
    Warum war immer er der Betrogene? Hatte er etwa keine Opfer gebracht? Hatte er sich nicht an ihre kleinlichen Regeln gehalten und ihren schamlosen Blutdurst gestillt?
    Nun aber hatten Athjeäri und Wanhail, die im Vorfeld des Heers das Terrain sondieren sollten, große heidnische Reiterverbände gesichtet.
    Wanhail, der Graf von Kurigald, hatte die feindlichen Reiter auf der abendlichen Beratung als »bunt gekleidete Männer in dünnen, wehenden Umhängen« beschrieben. Obwohl Saubon und Wanhail fast gleich alt und ähnlich gebaut waren, hatte Saubon stets den Eindruck, der Graf gehörte zu denen, die die Gnade ihrer adligen Geburt vor dem Stand bewahrte, den die Natur eigentlich für sie vorgesehen hatte. Wanhail nämlich wirkte selbst im Adelsgewand noch wie ein Kneipenclown, ein Kneipenclown allerdings, der seine Ausführungen nun mit der Feststellung beendete: »Diese Reiter sahen noch schlimmer aus als selbst die Ainoni – wie eine Balletttruppe!«
    Diese Einschätzung löste großes Gelächter aus.
    »Aber sie sind schnell«, ergänzte Athjeäri und blickte dabei ins Feuer, »sehr schnell.« Dann sah er die anderen mit strenger Miene an, und auch seine langwimprigen Augen blieben ernst. »Als wir ihnen nachsetzten, entkamen sie uns mit Leichtigkeit.« Er hielt inne, damit der Rat die Bedeutung dieser Aussage verdauen konnte. »Und ihre Bogenschützen erst! So was hab ich noch nie gesehen. Irgendwie können sie aus vollem Galopp auf ihre Verfolger schießen!«
    Die Versammlung war unbeeindruckt. Ob Norsirai oder Ketyai – die adligen Inrithi hielten Bogenschießen für niederträchtig und unmännlich. Was die Reiterabteilungen selbst anging, waren die meisten im Rat der Ansicht, ihr Auftauchen habe wenig zu bedeuten. »Natürlich beschatten sie uns!«, meinte Wanhail. »Erstaunlich ist daran nur, dass wir sie nicht früher gesichtet haben.« Dem stimmte selbst Gotian zu. »Wenn Skauras um Gedea hätte kämpfen wollen«, sagte er, »hätte er doch wohl die Pässe verteidigt, oder?« Nur Athjeäri war anderer Ansicht. Hinterher zog er Saubon zur Seite und fauchte ihm geradezu ins Ohr: »Hier stimmt was nicht, Onkel.«
    Hier stimmte wirklich etwas nicht, obwohl Saubon bisher nichts gesagt hatte. Er hatte längst gelernt, nicht im Kreis seiner Befehlshaber zu urteilen – vor allem dann nicht, wenn seine Autorität anfechtbar schien. Auch wenn er auf viele Männer (meist auf Verwandte oder Veteranen seiner früheren Feldzüge) zählen konnte, war er doch nur nominell Anführer der Truppen aus Galeoth. Dies wurde ihm durch all die Adligen vor Augen geführt, die ständig jagend und beizend durch die Hügel zogen. Die Ehrerbietung von Grafen gegenüber einem Prinzen, der kein Land besaß, war überwiegend geheuchelt.
    Jeder seiner Befehle schien hochmütigen und spleenigen Kommentaren ausgesetzt.
    Also tat er, als würde er überlegen, und verheimlichte, was so sehr gegen ihn sprach: die Wahrheit nämlich.
    Sie waren

Weitere Kostenlose Bücher