Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
Fluss, der auf keiner seiner primitiven Karten eingezeichnet war. Zum Glück ließ der Fluss sich durchqueren, wenn auch nicht leicht, denn er hatte schon vier Wagen, ein Menschenleben und ein paar wertvolle Stunden gekostet. Das Tal wurde immer voller, weil Soldaten und Tross sich an der Furt stauten. Am anderen Ufer streiften Krieger und Gefolge das Wasser von den Gliedern und schwärmten aus, um ihre Schläuche aufzufüllen oder sogar zu fischen, wie Saubon finster bemerkte. Andere trotteten mit vor Müdigkeit stumpfem Gesicht weiter, während ihr Gepäck an Spießen und Speeren schwang.
    Im Süden liefen die steilen Bergrücken, die überall die Sicht behindert hatten, ins Tal des Flusses aus und enthüllten so die verschwommenen Konturen dessen, was kommen würde. Hinter flachen Hügeln konnte er weite Ebenen erkennen, die in der Ferne blau schimmerten und bis zum Horizont reichten: die Ebenen von Mengedda – das legendäre Schlachtfeld.
    Ihm wurde bang. Er dachte an Tharschilka, seinen älteren Cousin, dessen Knochen wie die von Calmemunis und von all den anderen, die mit dem Gemeinen Heiligen Krieg aufgebrochen waren, dort zerfielen. Dann dachte er an Prinz Kellhus.
    Dieses Land gehört mir. Es muss so sein!
    Sie waren schon eine Woche unterwegs. Erst hatten sie die Pässe der Pforten von Southron überwunden und waren dann einer zerstörten ceneischen Straße gefolgt, die unerklärlicherweise in einer Schlucht endete. Dort hatte er sich mit dem sturen, alten Mistkerl Gothyelk darüber gestritten, welchen Weg sie nehmen sollten, bis es beinahe zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre. Die Perle Gedeas – wenn man sie so nennen konnte – war die Stadt Hinnereth, die im Südosten am Meneanor-Meer lag. Saubon wollte die Stadt zwar für sich, doch der Heilige Krieg brauchte sie, um auf dem Weg nach Süden die Flanke zu sichern. Für den großen Hoga Gothyelk hingegen war Gedea nur eine Gegend, die man durchquerte, aber nicht eroberte. Der Dummkopf redete, als wäre die Distanz zwischen dem Heiligen Krieg und Shimeh im Laufschritt zu überwinden. Sie hatten sich bis tief in die Nacht angebrüllt, wobei Gotian ab und zu versucht hatte, einen gemeinsamen Nenner zu finden, während Skaiyelt immer wieder in seiner Ecke einnickte und nur hin und wieder tat, als hörte er seinem Dolmetscher zu. Schließlich beschlossen sie, getrennte Wege zu gehen. Gotian, der – wie alle Adligen der Nansur – eine gründliche militärische Ausbildung genossen hatte, wollte nach Hinnereth marschieren, denn er war kein Dummkopf. Anfangs wusste niemand, was Skaiyelt vorhatte, doch am folgenden Tag machte er sich mit Gothyelk und dessen Männern aus Ce Tydonn nach Süden auf.
    Ein Glück, dass wir den los sind, hatte Saubon gedacht.
    Da war er noch in dem Glauben, Skauras habe Gedea aufgegeben.
    »Marschiert«, hatte der Prinz von Atrithau in jener Nacht in den Bergen gesagt. »Das Schicksal meint es gut mit Euch… Aber Ihr müsst dafür sorgen, dass die Tempelritter bestraft werden.«
    Noch nie hatten Saubon so wenige Worte so sehr beschäftigt. Sie waren ihm zunächst sehr verständlich erschienen. Doch wie die unheimlichen alten Statuen der Nicht-Menschen, die – je nachdem, von wo man sie betrachtete – gütig oder böswillig, göttlich oder teuflisch wirkten, wandelte sich die Bedeutung dieser Worte von Tag zu Tag. Hatte Prinz Kellhus wirklich seine Überzeugungen bekräftigt? Sicher, die Götter hatten ihre Garantien gegeben und – knickerig, wie sie waren – gleich auch ihre Bedingungen genannt. Doch sie hatten kein Wort darüber verloren, ob Skauras Gedea aufgegeben hatte. Eher hatten sie das Gegenteil angedeutet.
    Eine Schlacht also. Sie hatten eine Schlacht angedeutet. Wie sonst sollte er die Tempelritter auch bestrafen?
    »Akirea im Val! Akirea im Val!«
    Saubon blickte kurz ins Tal und musterte dann wieder den südlichen Horizont, an dem das Schlachtfeld lag. Es war flach, dunkel und blau, ähnelte eher dem Ozean als einer Hochebene und sah aus, als könnte es ganze Völker verschlucken.
    Skauras hatte Gedea nicht aufgegeben. Das lag ihm wie Blei in Bauch und Knochen. Diese Erkenntnis, zu der er gleich nach dem Streit mit Gothyelk gekommen war, hatte Saubon mit Angst und Schrecken erfüllt – und zwar so sehr, dass er sich zunächst geweigert hatte, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen. Er besaß schließlich Garantien der Götter! Was spielte es da für eine Rolle, ob er mit Gothyelk und den Tydonni marschierte

Weitere Kostenlose Bücher