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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Kamm. Vermutlich verhöhnten sie die Überlebenden, indem sie Sodhoras’ Leiche schändeten. Einem der Toten jedenfalls waren die Eingeweide ausgeräumt worden. Dann versuchten sie, eure Leute mit Bogenschüssen zu erledigen. Die Inrithi, die den Kamm erreichten, hatten ihnen wohl ziemlich zugesetzt, denn die Heiden gingen kein Risiko ein: Als sie feststellten, dass ihre Pfeile euren Leuten trotz der geringen Entfernung wenig anhaben konnten, begannen sie, die Pferde ihrer Gegner zu beschießen, was die Kianene bezeichnenderweise nur sehr ungern tun. Das sollte man sich merken… Als Sodhoras’ Männer ohne Pferde dastanden, haben die Kianene sie einfach über den Haufen geritten.«
    Krieg. Seine Nackenhaare richteten sich auf.
    »Dann haben sie die Toten ausgeplündert«, ergänzte Cnaiür, »und sind nach Südwesten geritten.« Er fuhr sich mit den Händen über die Oberschenkel. Diese Dummköpfe glaubten ihm, wie ihr fassungsloses Schweigen überdeutlich zeigte. Eben noch war dies ein Ort der Schmach gewesen, an dem sich eine Niederlage ereignet hatte, die als furchtbares Omen gelten konnte, doch jetzt… Das Unbegriffene ließ die Dinge gigantisch erscheinen – Wissen hingegen machte sie klein.
    »Gütiger Sejenus!«, rief Gaidekki plötzlich. »Er liest die Toten wie die Heilige Schrift!«
    Proyas warf ihm einen finsteren Blick zu. »Keine Blasphemie.« Er kratzte sich den kurz geschnittenen Bart und ließ seine Augen erneut über die Toten wandern. Dann schien er zu nicken und fixierte Cnaiür mit schlauem Blick.
    »Wie viele sind es gewesen?«
    »Wie viele Fanim?« Der Scylvendi zuckte die Achseln. »Sechzig, höchstens siebzig leicht gerüstete Männer.«
    »Und Saubon? Bedeutet das, er ist umzingelt?«
    Cnaiür hielt seinem Blick stand. »Wer zu Fuß gegen die Kavallerie Krieg führt, ist immer umzingelt.«
    »Dann lebt der Mistkerl womöglich noch«, sagte Proyas, und ein schwaches Zittern in der Stimme verriet seine Atemlosigkeit. Der Heilige Krieg konnte den Verlust einer Nation überleben, aber den von dreien? Saubon hatte mit seinem unbesonnenen Zug weit mehr als nur das eigene Leben aufs Spiel gesetzt, und deshalb hatte Proyas seinen Leuten – trotz der Einwände von Conphas – Marschbefehl erteilt. Vielleicht konnten vier Nationen dort siegen, wo drei es nicht vermochten.
    »Nach allem, was wir wissen«, sagte Xinemus, »könnte der Mistkerl aus Galeoth richtigliegen. Vielleicht breiten sich seine Truppen schon über ganz Gedea aus und treiben Skauras’ Kämpfer vor sich her bis ans Meer.«
    »Nein«, sagte Cnaiür. »Er ist in großer Gefahr. Skauras hat seine Leute in Gedea versammelt. Er erwartet euch dort mit seiner gesamten Streitmacht.«
    »Und woher willst du das wissen?«, rief Gaidekki.
    »Weil die Fanim, die eure Leute getötet haben, ein großes Risiko eingegangen sind.«
    Proyas nickte. Seine Augen waren plötzlich schmal geworden und blickten ängstlich. »Sie haben eine größere und weit besser bewaffnete Streitmacht angegriffen. Also hatten sie strikten Befehl, jede Verständigung zwischen getrennten Truppenteilen zu unterbinden.«
    Cnaiür senkte respektvoll den Kopf, was nicht Proyas galt, sondern der von ihm ausgesprochenen Wahrheit. Zu guter Letzt begann Nersei Proyas doch noch zu verstehen. Skauras ließ den Heiligen Krieg schon lange beobachten und hatte das Heer bereits genauestens unter die Lupe genommen, als es Momemn noch längst nicht verlassen hatte. Er kannte seine Schwächen… Wissen. Letztlich war alles nur eine Frage des Wissens.
    Moënghus hatte ihm das beigebracht.
    »Krieg ist eine Frage des Verstands«, sagte der Häuptling der Utemot. »Solange du und deine Leute ihn mit dem Herzen führen wollt, seid ihr dem Untergang geweiht.«
     
     
    »Akirea im Val!«, riefen tausend Galeoth. »Akirea im Val pa Valsa!« Ehre sei Gott. Ehre sei dem Gott der Götter.
    Aus seinem Tagtraum geschreckt, sah Coithus Saubon auf den großen, planlos wirkenden Zug seiner Armee hinunter und suchte nach seinem Berater Kussalt, der ausgeritten war, um sich mit den Spähern zu treffen. Saubon nagte an seinen schwieligen Fingerknöcheln – wie immer, wenn er besorgt war. Bitte, dachte er. Bitte.
    Aber es gab keine Spur von ihm.
    Er setzte seinen Helm ab, fuhr sich mit den Fingern durchs kurze, herbstblonde Haar und strich den Schweiß heraus, der seinen Augen zusetzte. Er saß auf seinem Pferd und schaute ohne jede Begleitung von einer Anhöhe auf einen kleinen, schnell fließenden

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