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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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erzählt, glaube ich.«
    »Das ist ja noch schlimmer.«
    »Wie meinst du das?«
    »An diesem Ort zerlegt es mich, Esmi. Echos. Lauter Echos. Weißt du noch, was ich Saubon gestern Abend gesagt habe? Der Nicht-Gott – sein Echo ist hier zu stark. Zu stark! Und mit den Ruinen ist bestimmt die Stadt Mengedda gemeint, der Ort also, wo es geschehen ist – wo der Nicht-Gott gefällt wurde. Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, dieser Ort erkennt mich. Mich oder Seswatha in meinem Innern.«
    »Was sollen wir also tun?«
    SAG!
    »Aufbrechen und in den östlichen Hügeln zelten, von denen man das Schlachtfeld überblicken kann. Dort können wir auf die anderen warten.«
    Neue Sorgen verdüsterten ihre Miene. »Bist du sicher, Akka?«
    »Dort wird uns schon nichts passieren. Wir müssen nur erst weg von hier.«
     
     
    Mit der Anhäufung von Macht, hatte Achamian mal gesagt, geht etwas Geheimnisvolles einher. Das sei ein altes Sprichwort der Leute aus Nilnamesh. Als Kellhus nach seiner Bedeutung fragte, meinte der Ordensmann, es beziehe sich auf das Paradox der Macht: Je mehr Kontrolle man erstrebe, desto unsicherer fühle man sich. Damals hatte Kellhus das Sprichwort für einen von Achamians Allgemeinplätzen gehalten, die die typische Neigung seiner Umgebung ausnutzten, Dunkelheit mit Tiefsinn zu verwechseln. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
    Fünf Tage waren seit der Schlacht vergangen. Das letzte Sonnenlicht war zwischen den westlichen Hügeln verdampft. Die Hohen Herren – einschließlich Conphas und Chepheramunni – hatten sich mit ihrem Gefolge in einem überwucherten Amphitheater versammelt, das in alten Zeiten in die Flanke eines niedrigen Hügels gebaut worden war. Ein riesiges Feuer brannte in seiner Mitte und verwandelte die Bühne in einen Kamin. Die Hohen Herren saßen auf dem untersten Rang des Theaters und debattierten miteinander, während ihre Berater und ihre adligen Landsleute auf den Rängen darüber zankten und scherzten, wobei ihre teils erplünderten Festgewänder im Schein des Feuers glitzerten und schimmerten, während ihre Gesichter blass orange leuchteten. Vor ihnen kamen Sklaven mit bloßem Oberkörper aus der Dunkelheit auf die Bühne marschiert, um Möbel, Kleidung, Schriftrollen und anderen Plunder aus dem Lager der Kianene ins Feuer zu werfen. Ein seltsamer, stahlblauer Rauch stieg stoßweise aus den Flammen. Sein widerlicher Geruch erinnerte an die Jauchesalben der Yatwer-Priesterinnen, doch es gab auf dem Schlachtfeld sonst nichts Brennbares.
    Endlich war das Heer des Heiligen Kriegs wieder komplett. Am frühen Nachmittag waren die Heere der Nansur und der Ainoni über die Ebenen herangezogen und hatten sich dem großen Lager unterhalb der Ruinen von Mengedda angeschlossen, einer einst großen Stadt, die (so Achamian zu Kellhus) während der frühen Bronzezeit zerstört worden war. Zum ersten Mal seit dem weit entfernten Momemn war der Großrat aller Adligen – der Rat der Hohen und Niederen Herren also – einberufen worden. Auch wenn er nach Stellung und Berühmtheit beim Hochadel hätte sitzen können, hatte Kellhus sich für einen Platz unter den Rittern, Soldaten und Gefolgsleuten entschieden, die sich auf den Erd- und Geröllhügeln gegenüber dem Theater drängten. So konnte er seinen Ruf pflegen, ein bescheidener Mensch zu sein, und zugleich bequem die Züge all derer studieren, die es zu bezwingen galt.
    Im Großen und Ganzen zeigten ihre Gesichter verblüffende Kontraste. Einigen war die jüngste Schlacht an Verbänden, verschorften Wunden und gelblichen Beulen anzusehen, während andere – vor allem unter den gerade erst angelangten Nansur und Ainoni – ganz und gar keine Hinweise darauf boten, je in einer Schlacht verwundet worden zu sein. Einige waren vor Jubel darüber, den Heiden das Rückgrat gebrochen zu haben, rot im Gesicht, während andere vor Entsetzen und Schlaflosigkeit aschfahl waren.
    Der Sieg auf dem Schlachtfeld hatte offenbar einen unheimlichen Blutzoll ganz eigener Art gefordert.
    Seit sie ihre Strohsäcke und Schlafmatten auf den Ebenen von Mengedda ausgebreitet hatten, klagten nicht wenige Männer und Frauen des Heiligen Kriegs über furchtbare Alpträume. Jede Nacht, so behaupteten sie, müssten sie auf dem Schlachtfeld in verzweifelter Not und letztlich vergeblich gegen Widersacher kämpfen, die sie nie zuvor gesehen hatten: gegen altertümlich gerüstete Nansur und echte Wüstenkianene, gegen ceneische Fußsoldaten und alte

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