Der Prinzessinnenclub

nennt sich Sissi?«, fragte Mama. »Wie die legendäre Prinzessin?«
    »Was denn schon wieder für eine Prinzessin?«, fragte ich misstrauisch. Oje, hatte sich Mamas Prinzessin-Diana-Tick womöglich weiter ausgebreitet? Witterte sie etwa jetzt schon überall Prinzessinnen?
    »Ich meine Prinzessin Elisabeth von Bayern, die spätere Kaiserin von Österreich«, erklärte Mama. »Sie wurde Sissi genannt. Erinnerst du dich nicht? Wir haben doch Weihnachten die Filme im Fernsehen gesehen, mit Oma zusammen!«
    Oh doch, jetzt fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren! Das war ein unglaublich rührseliger Nachmittag gewesen, den ich nur mithilfe diverser Pfund Weihnachtsplätzchen überstanden hatte! Papa war schon nach der ersten Viertelstunde in den Bastelkeller geflüchtet und tauchte erst wieder auf, als der Spuk vorbei war.
    In »Sissi« geht es um eine - logo: wunderschöne - bayerische Prinzessin, die zufällig im Wald dem jungen Kaiser Franz Joseph begegnet, den sie aber nicht erkennt (damals gab’s ja noch kein Fernsehen und die Gesichter dieser Typen waren daher nicht so bekannt wie heute). Egal. - Also, Sissi und der junge Kaiser verlieben sich natürlich auf der Stelle ineinander. Aber eigentlich soll der Kaiser Sissis ältere Schwester Néné (die heißt wirklich so!) heiraten, wovon Sissi keine Ahnung hat. Aber dann kommt ein Ball, bei dem der Kaiser mit Néné tanzen und sich mit ihr verloben soll, aber stattdessen wählt er Sissi, und prompt sind alle total von den Socken, vor allem Franz Josephs Mutter. Die ist nämlich eine echte Spaßbremse! Aber der Kaiser heiratet seine Sissi trotzdem, und alles wäre in Butter, wenn die böse Schwiegermutter nicht immer wieder dazwischenfunken würde. Die kann Sissi nicht leiden, weil Sissi so natürlich ist und immer im Wald rumlaufen will, anstatt drinnen im Schloss irgendwelche Deckchen zu besticken. Und deswegen mäkelt die Spaßbremse ständig an Sissi herum.
    Mama und Oma klebten geradezu am Bildschirm und litten die ganze Zeit mit Sissi mit, obwohl Mama immer wieder betonte, dass das ja ein »herrlicher Kitsch« sei, über den sie sich »immer wieder prächtig amüsieren« würde. Aber in Wirklichkeit war Mama hin und weg von Sissi und hat immerzu verschämt in ihr Taschentuch geschnüffelt. Oma sowieso. Aber das wollten sie beide irgendwie nicht zugeben. Ich muss gestehen, dass ich am Schluss auch geheult habe: Da ist Sissi nämlich ihrer kleinen Tochter, die sie seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte, über einen kilometerlangen roten Teppich entgegengerannt, und als sie endlich bei ihr angekommen ist, da hat Sissi die Kleine in ihre Arme gerissen und geweint und geschluchzt vor Glück. - Und die Leute drum rum haben immerzu gerufen: »La Mama! Viva la Mama!« Und dazu haben sie ihre Hüte in die Luft geworfen. - Und, ja, wer da nicht mitweint, hat Oma gesagt, der hat kein Herz …
     
    »Hast du dir etwa alle drei Sissi-Filme hintereinander angesehen, Diana?«, fragt Emma ungläubig. »In voller Länge?«
    »Klar, ich dachte mir, über Prinzessinnen kann man nie genug wissen ... «
    »Einiges hast du in deiner Beschreibung aber völlig falsch dargestellt«, bemerkt Sissi spitz.
    I ch grinse sie liebevoll an. »Ich weiß ja, dass DU unsere Sissi-Expertin bist!«
    »Allerdings bin ich das«, sagt Sissi hoheitsvoll.
    »Na, hört mal, wir kennen uns doch alle drei sehr gut mit Prinzessinnen aus«, lächelt Emma. »Jede auf ihre Weise. Das war uns doch sehr schnell klar.«
    Ich überlege. »Wann haben wir das eigentlich gemerkt? Dass wir alle drei irgendwie einen Prinzessinnen-Fimmel haben, meine ich.«
    »Als Emma und ich zum ersten Mal bei dir zu Hause waren«, sagt Sissi. »Weißt du noch?«
    Natürlich weiß ich das noch …

E s dauerte exakt zwei Minuten, bis Sissi die siebzehn Bildbände über Prinzessin Diana in Mamas Bücherschrank entdeckt hatte. Begeistert zog sie einen Band heraus und schlug ihn auf.
    »Hey, guck mal, Emma: ›Diana - Prinzessin der Herzen‹ - super!« Heute trug Sissi ihre Haare offen, aber hoch über der Stirn hatte sie sich einen feinen Zopf geflochten, der fast an eine Krone erinnerte! Wie lange sie wohl für dieses Kunstwerk gebraucht hatte? Sah tierisch kompliziert aus!
    Sissi musterte mich neugierig. »Hast du die Prinzessin-Diana-Bücher alle gelesen?«
    Ich nahm Sissi die »Prinzessin der Herzen« energisch aus der Hand und stellte das Buch zurück ins Regal. »Nein, ich nicht, aber meine Mutter!«
    Sissis Augen