Der Prinzessinnenclub
Vorstellung meiner Heldentat!
Obgleich, ganz so dramatisch müsste es vielleicht gar nicht sein. Ich könnte mir auch andere gute Taten, mehr so für die Allgemeinheit, vorstellen. Zum Beispiel könnte ich irgendwo in Afrika einen Brunnen für die Armen bauen! Ja, das wäre was! Schon sah ich mich, umringt von Hunderten dankbarer Kinder, in glühender Mittagssonne kraftvoll Stein auf Stein häufen: (Halt, musste man für einen Brunnen nicht erst mal ein Loch buddeln? Egal.) Jedenfalls würde ich so lange und so unermüdlich schuften, bis ich dem trockenen, harten Steppenboden endlich die ersehnte Wasserfontäne abgerungen hatte. Glücklich lächelnd würde ich dann zusehen, wie die Kleinen jubelnd ihre Flaschen mit dem kostbaren Nass füllten, während ich auf meiner Hüfte ein süßes dunkelhäutiges Baby schaukelte - genauso wie Angelina Jolie das immer machte, wenn sie nicht gerade irgendwo anders ein Kind adoptierte, und dann würde ich -
»Nanu, du lächelst ja so, Diana«, unterbrach Mama plötzlich meinen Tagtraum. »Hast du an etwas Schönes gedacht?«
»Was? Äh... nein, nein...« Ich schüttelte abwehrend den Kopf. »Ich hab nur eben überlegt … also... findest du eigentlich, Mama, dass du genug Gutes tust? Für andere, meine ich.«
Mama ließ ihren Putzschwamm sinken. »Ja, findest du das etwa nicht?« Mama holte tief Luft, um dann mit erhobener Stimme loszulegen: »Also wirklich, Diana, ich bin berufstätig, ich kümmere mich um dich und um Papa, ich koche, ich mache den größten Teil der Hausarbeit, ich erledige dauernd irgendwelche Besorgungen für Oma. Und wenn eine Nachbarin oder Freundin Hilfe braucht - was ja nicht gerade selten vorkommt -, dann sage ich auch niemals Nein!« Mama stützte die Hände in die Hüften und blickte mich aufgebracht an. »Ich bemühe mich doch wirklich, Diana! Was soll ich denn noch machen?«
Wow, das war ja nach hinten losgegangen! Jetzt half nur noch Schadensbegrenzung, sonst riss Mama mir noch die Ohren ab. »Aber das weiß ich doch alles, Mama! Das meinte ich doch gar nicht.«
»Was meintest du denn dann?«
»Ich meine, so richtig gute Taten eben, die anderen helfen.«
»Ach so, jetzt verstehe ich«, sagte Mama bereits versöhnlicher. »Du meinst soziales Engagement, also zum Beispiel ehrenamtliche Arbeit in einem Obdachlosenheim oder Hausbesuche bei einsamen alten Menschen, so etwas in der Art, stimmt’s?«
Ich nickte. So richtig wusste ich ja selber nicht, was ich gemeint hatte. Aber ich war froh, dass Mama nicht mehr sauer war. Jetzt griff sie wieder zu ihrem Putzschwamm und bearbeitete energisch die Einlegeböden des Kühlschranks. »Ich finde es bewundernswert, wenn Menschen sich sozial engagieren, und, wer weiß, vielleicht suche ich mir später, wenn ich wieder mehr Zeit habe, auch eine solche Aufgabe. Aber jetzt würde das nur Stress bedeuten und letztendlich niemandem nutzen.« Mama strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Im Moment reicht meine Zeit eben nur für die kleinen guten Taten des Alltags. Aber die sind auch wichtig, finde ich.«
Aha, endlich näherten wir uns meinem Thema! »Was kann man denn im Alltag so alles Gutes tun?«, fragte ich eifrig.
»Och, da gibt’s doch jede Menge Möglichkeiten!« Mama zwinkerte mir zu. »Und ich hoffe, das meiste davon machst du schon ganz automatisch, ohne darüber nachzudenken, einfach weil du es bei uns gesehen hast. Zum Beispiel einer Mutter mit Kinderwagen auf der Treppe helfen, im Bus für ältere Menschen aufstehen. Ja, selbst jemand, der schwer bepackt ist, die Tür aufzuhalten, ist schon eine gute Tat, wenn auch nur eine klitzekleine.«
Ich runzelte die Stirn. Natürlich ließ ich keinen humpelnden Opa im Bus stehen, während ich mich selber auf einem Sitzplatz breitmachte. Aber würde Sissi das Aufhalten einer Tür oder das Aufstehen im Bus schon als gute Tat gelten lassen? Ich seufzte. Die Meisterin der Prinzessinnenregeln verlangte sicher mehr Einsatz.
»Wie kommst du denn eigentlich auf dieses Thema, Diana?« Mama sah mich forschend an. »Warum ist es dir plötzlich so besonders wichtig, Gutes zu tun?«
Ich klappte den Mund auf. Und gleich wieder zu. Was sollte ich denn jetzt sagen, ohne zumindest eine der sieben Prinzessinnenregeln zu brechen? Und das schon vier Stunden nach Gründung des Prinzessinnenclubs!! Wenn ich jetzt ehrlich antwortete, brach ich Regel Nr. 7 (die Stillschweigeregel), und wenn ich eine Ausrede erfand, brach ich Regel Nr. 3 (keinesfalls lügen!). Also saß
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