Der Prinzessinnenclub
ich in der Falle! Ich biss mir auf die Lippen. So ein Mist! (Schimpfworte denken war erlaubt, nur das Aussprechen war verboten - Regel Nr. 5.)
Mama sah mich mit wachsender Verwunderung an. Klar, je länger ich schwieg, desto merkwürdiger musste ihr mein Verhalten ja vorkommen! Ich entschloss mich zu einer Notlüge: »Ach, wir... na ja, wir haben in der Schule über Hilfsorganisationen wie UNICEF gesprochen und... äh... wie wichtig es ist, Gutes zu tun, so im Allgemeinen.«
Das mit UNICEF war mir im letzten Augenblick eingefallen, weil Oma da seit einer Ewigkeit Mitglied ist. Eigentlich hatte ich ja jetzt nur halb gelogen. Schließlich hatten Emma, Sissi und ich heute in der Schule wirklich über gute Taten gesprochen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Puh, so kompliziert hatte ich es mir nicht vorgestellt, Mitglied eines Prinzessinnenclubs zu sein...!
Mama hatte inzwischen damit begonnen, den Kühlschrank wieder einzuräumen. Sofort sprang ich auf und reichte ihr eifrig die Sachen. Mama warf mir einen erstaunten Blick zu. Klar, sonst brauchte ich immer eine Extraaufforderung. Und meistens jammerte ich dann so lange rum, bis sie mich irgendwann genervt in mein Zimmer schickte und die Arbeit alleine machte. Aber jetzt... wer weiß, vielleicht konnte ich mir meine drei guten Taten pro Woche ja mit mehreren solcher kleinen guten Einzeltaten verdienen? So ähnlich, wie man an der Losbude Punkte sammeln kann, um dann irgendwann doch noch den Hauptgewinn einzuheimsen. Ich würde die »Gute-Tat-Regeln« noch mal mit Sissi und Emma besprechen müssen …
»Übrigens kommt Oma gleich«, sagte Mama. »Sie ist nebenan beim Friseur und wollte anschließend auf einen Sprung bei uns reinschauen.«
»Prima!«, sagte ich.
Mit Oma war es immer gemütlich, denn im Gegensatz zu Mama verbreitete sie eigentlich niemals Stress oder Hektik. Außerdem brachte Oma meistens Kuchen oder Kekse mit, wenn sie auf einen »Sprung« vorbeikam. Dabei war ich auf Omas Kuchen gar nicht mehr angewiesen! Seit es Sissi gab, war meine Versorgung mit Süßkram mehr als gesichert. Sissi schien einfach immer ein paar Nugatkringel oder Croissants bei sich zu haben! Sie selber aß kaum etwas Süßes, aber Emma stürzte sich jede Pause wie ein Habicht darauf, während ihre Mutter sich vermutlich wunderte, warum Emma seit Neuestem so wenig von dem gesunden heimischen Dinkel-Kartoffel-Eintopf aß.
Kaum hatte Mama ihre nagelneue Kaffeemaschine (ein chromblitzendes Ungetüm in Größe eines mittleren Kleinwagens) angeworfen, klingelte es bereits an der Tür. »Machst du auf, Diana? Das wird Oma sein!«
Ich drückte auf den Summer und kurz darauf hörte ich Oma die Treppen hinaufschnaufen. Sicher würde sie uns gleich wieder erzählen, dass sie den beschwerlichen Aufstieg in den dritten Stock nun bald nicht mehr schaffen würde, auch wenn sie es noch so gern wollte... Dabei war Oma topfit! Sie machte nämlich regelmäßig Nordic Walking. (Das ist dieses Spazierengehen mit Stöcken, was angeblich so waaahnsinnig gesund ist.) Bis vor drei Jahren hatte Oma sogar noch Tennis gespielt. Papa behauptete immer, Oma habe ihre Gegnerinnen so unbarmherzig über den Platz gejagt, dass sie im Tennisklub nur die »eiserne Gerdi« genannt wurde... Leider hatte sich bisher noch keine Gelegenheit ergeben, Oma unauffällig zu fragen, ob das stimmte.
Japsend stieß Oma nun unsere Wohnungstür auf und ließ sich in den nächstbesten Sessel plumpsen. »Na, Mädelchen«, sagte sie. »Ich glaube, ihr habt seit meinem letzten Besuch noch ein paar Treppenstufen draufgebaut, stimmt’s?«
Natürlich hätte ich Omas Frage gerne beantwortet. Schließlich bin ich höflich und gut erzogen und all so was, aber ich konnte nicht. Beim besten Willen nicht! Das Einzige, was ich konnte, war, Oma sprachlos anzustarren und mit aller Kraft zu versuchen, KEINESFALLS laut herauszuprusten! Aber es fiel mir verdammt schwer...! Mannomann, was hatte der Friseur denn mit Omas Haaren angestellt? Sie sah ja aus wie ein frisch explodierter Fliederbusch! Alle ihre Haare waren hoch auftoupiert, mit mindestens zwei Tonnen Haarspray eingenebelt und - das war das Schlimmste! - in einem zarten Lilaton gefärbt! Ich presste die Lippen fest aufeinander. Was Mama wohl zu Omas Fliederbusch-Frisur sagen würde?
Ich hätte es wissen müssen: Mama verzog natürlich keine Miene, als sie Oma jetzt mit einer herzlichen Umarmung begrüßte. »Hallo, Gerdi! - Na, das ging ja richtig fix beim Friseur, was? Der
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